Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Ist nicht die ganze Sichtbarkeit der Himmel Selbst nur ein Erdbeerstock im großen Ganzen, Ein einzler Theil im All wie wir es denken, Des göttlichen Gedichts nur ein paar Stanzen, Ein Endliches? Doch dieses Glanzgewimmel, Dies Weltbild will die Welt aufschließend schenken Und sich vor uns versenken In's Uebersinnliche, wie es die Welt ist, Denn ihr ist keine Vorstellung gewachsen Und ihren Riesenaxen Gibt Raum nur der Begriff der Gottes Zelt ist. So tönet im Erhabnen wie in allen Gebilden uns des ew'gen Sohnes Lallen. Ihr aber, allverbreitete Bestände
Jedwelcher Bildung, reine Wesenheiten, Die ihr in Paargestalten hochher steiget Um euern Liebesstreit nie auszustreiten, Euch flieht und hascht und wieder flieht behende Und euch im Fliehen zur Umarmung neiget, So ernst im Spiel euch zeiget Als wär' es gottesdienstliche Verrichtung, So spielend frei im Ernst als wär's ein Scherz nur, Mit unbegriffnem Schmerz nur Schaut Mancher euer Werk und sieht Vernichtung. Doch ihr schwebt lächelnd und dem Frommen leise Vertrauet ihr daß dies des Wortes Weise. Iſt nicht die ganze Sichtbarkeit der Himmel Selbſt nur ein Erdbeerſtock im großen Ganzen, Ein einzler Theil im All wie wir es denken, Des göttlichen Gedichts nur ein paar Stanzen, Ein Endliches? Doch dieſes Glanzgewimmel, Dies Weltbild will die Welt aufſchließend ſchenken Und ſich vor uns verſenken In's Ueberſinnliche, wie es die Welt iſt, Denn ihr iſt keine Vorſtellung gewachſen Und ihren Rieſenaxen Gibt Raum nur der Begriff der Gottes Zelt iſt. So tönet im Erhabnen wie in allen Gebilden uns des ew'gen Sohnes Lallen. Ihr aber, allverbreitete Beſtände
Jedwelcher Bildung, reine Weſenheiten, Die ihr in Paargeſtalten hochher ſteiget Um euern Liebesſtreit nie auszuſtreiten, Euch flieht und haſcht und wieder flieht behende Und euch im Fliehen zur Umarmung neiget, So ernſt im Spiel euch zeiget Als wär' es gottesdienſtliche Verrichtung, So ſpielend frei im Ernſt als wär's ein Scherz nur, Mit unbegriffnem Schmerz nur Schaut Mancher euer Werk und ſieht Vernichtung. Doch ihr ſchwebt lächelnd und dem Frommen leiſe Vertrauet ihr daß dies des Wortes Weiſe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0042" n="28"/> <lg n="8"> <l>Iſt nicht die ganze Sichtbarkeit der Himmel</l><lb/> <l>Selbſt nur ein Erdbeerſtock im großen Ganzen,</l><lb/> <l>Ein einzler Theil im All wie wir es denken,</l><lb/> <l>Des göttlichen Gedichts nur ein paar Stanzen,</l><lb/> <l>Ein <hi rendition="#g">Endliches</hi>? Doch dieſes Glanzgewimmel,</l><lb/> <l>Dies Weltbild will die Welt aufſchließend ſchenken</l><lb/> <l>Und ſich vor uns verſenken</l><lb/> <l>In's Ueberſinnliche, wie es die Welt iſt,</l><lb/> <l>Denn ihr iſt keine Vorſtellung gewachſen</l><lb/> <l>Und ihren Rieſenaxen</l><lb/> <l>Gibt Raum nur der Begriff der Gottes Zelt iſt.</l><lb/> <l>So tönet im Erhabnen wie in allen</l><lb/> <l>Gebilden uns des ew'gen Sohnes Lallen.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Ihr aber, allverbreitete Beſtände</l><lb/> <l>Jedwelcher Bildung, reine Weſenheiten,</l><lb/> <l>Die ihr in Paargeſtalten hochher ſteiget</l><lb/> <l>Um euern Liebesſtreit nie auszuſtreiten,</l><lb/> <l>Euch flieht und haſcht und wieder flieht behende</l><lb/> <l>Und euch im Fliehen zur Umarmung neiget,</l><lb/> <l>So ernſt im Spiel euch zeiget</l><lb/> <l>Als wär' es gottesdienſtliche Verrichtung,</l><lb/> <l>So ſpielend frei im Ernſt als wär's ein Scherz nur,</l><lb/> <l>Mit unbegriffnem Schmerz nur</l><lb/> <l>Schaut Mancher euer Werk und ſieht Vernichtung.</l><lb/> <l>Doch ihr ſchwebt lächelnd und dem Frommen leiſe</l><lb/> <l>Vertrauet ihr daß dies des Wortes Weiſe.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0042]
Iſt nicht die ganze Sichtbarkeit der Himmel
Selbſt nur ein Erdbeerſtock im großen Ganzen,
Ein einzler Theil im All wie wir es denken,
Des göttlichen Gedichts nur ein paar Stanzen,
Ein Endliches? Doch dieſes Glanzgewimmel,
Dies Weltbild will die Welt aufſchließend ſchenken
Und ſich vor uns verſenken
In's Ueberſinnliche, wie es die Welt iſt,
Denn ihr iſt keine Vorſtellung gewachſen
Und ihren Rieſenaxen
Gibt Raum nur der Begriff der Gottes Zelt iſt.
So tönet im Erhabnen wie in allen
Gebilden uns des ew'gen Sohnes Lallen.
Ihr aber, allverbreitete Beſtände
Jedwelcher Bildung, reine Weſenheiten,
Die ihr in Paargeſtalten hochher ſteiget
Um euern Liebesſtreit nie auszuſtreiten,
Euch flieht und haſcht und wieder flieht behende
Und euch im Fliehen zur Umarmung neiget,
So ernſt im Spiel euch zeiget
Als wär' es gottesdienſtliche Verrichtung,
So ſpielend frei im Ernſt als wär's ein Scherz nur,
Mit unbegriffnem Schmerz nur
Schaut Mancher euer Werk und ſieht Vernichtung.
Doch ihr ſchwebt lächelnd und dem Frommen leiſe
Vertrauet ihr daß dies des Wortes Weiſe.
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Zitationshilfe: | Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/42>, abgerufen am 16.02.2025. |