Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

und diese saubern Reden bekräftigten sie mit eben
so albernen als fürchterlichen Flüchen; -- alles
das um für Leute von Muth gehalten zu werden.
Ein ungeheurer Irthum! und der sie in folgen-
des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernst
ist, was sie sagen, so sind sie Bestien; wo nicht,
so sind sie Narren, daß sie's sagen. Und doch ist
dieser Karakter unter jungen Leuten sehr gemein.
Vermeide sorgfältig diese Seuche, und begnüge
dich mit einer ruhigen, sanften, und doch festen
Entschlossenheit, wenn du völlig überzeugt bist,
daß du Recht hast; denn dis ist wahrer Muth.

Was man in der Welt gemeiniglich einen
Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent,
sind die abscheulichsten und verächtlichsten Ge-
schöpfe unter der Sonne. Sie sind starköpfigt,
zänkisch, neidisch, sie beleidigen ohne Ursach, und
vertheidigen sich ohne Verstand. Ein Man dieses
Gelichters gebraucht bei der geringsten Veranlas-
sung sein Schwert, und ein Weib sogleich ihre
Zunge; und es ist schwer zu sagen, welches von
beiden das schädlichste Werkzeug sei.



Es
F 5

und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben
ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; — alles
das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden.
Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen-
des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt
iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht,
ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt
dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein.
Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge
dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten
Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt,
daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth.

Was man in der Welt gemeiniglich einen
Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent,
ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge-
ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt,
zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und
vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes
Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ-
ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre
Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von
beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei.



Es
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="89"/>
und die&#x017F;e &#x017F;aubern Reden bekra&#x0364;ftigten &#x017F;ie mit eben<lb/>
&#x017F;o albernen als fu&#x0364;rchterlichen Flu&#x0364;chen; &#x2014; alles<lb/>
das um fu&#x0364;r Leute von Muth gehalten zu werden.<lb/>
Ein ungeheurer Irthum! und der &#x017F;ie in folgen-<lb/>
des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ern&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t, was &#x017F;ie &#x017F;agen, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie Be&#x017F;tien; wo nicht,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie Narren, daß &#x017F;ie&#x2019;s &#x017F;agen. Und doch i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;er Karakter unter jungen Leuten &#x017F;ehr gemein.<lb/>
Vermeide &#x017F;orgfa&#x0364;ltig die&#x017F;e Seuche, und begnu&#x0364;ge<lb/>
dich mit einer ruhigen, &#x017F;anften, und doch fe&#x017F;ten<lb/>
Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, wenn du vo&#x0364;llig u&#x0364;berzeugt bi&#x017F;t,<lb/>
daß du Recht ha&#x017F;t; denn dis i&#x017F;t wahrer Muth.</p><lb/>
        <p>Was man in der Welt gemeiniglich einen<lb/>
Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent,<lb/>
&#x017F;ind die ab&#x017F;cheulich&#x017F;ten und vera&#x0364;chtlich&#x017F;ten Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe unter der Sonne. Sie &#x017F;ind &#x017F;tarko&#x0364;pfigt,<lb/>
za&#x0364;nki&#x017F;ch, neidi&#x017F;ch, &#x017F;ie beleidigen ohne Ur&#x017F;ach, und<lb/>
vertheidigen &#x017F;ich ohne Ver&#x017F;tand. Ein Man die&#x017F;es<lb/>
Gelichters gebraucht bei der gering&#x017F;ten Veranla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung &#x017F;ein Schwert, und ein Weib &#x017F;ogleich ihre<lb/>
Zunge; und es i&#x017F;t &#x017F;chwer zu &#x017F;agen, welches von<lb/>
beiden das &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;te Werkzeug &#x017F;ei.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 5</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0095] und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; — alles das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden. Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen- des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht, ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein. Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt, daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth. Was man in der Welt gemeiniglich einen Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent, ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge- ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt, zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ- ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei. Es F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/95
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/95>, abgerufen am 09.11.2024.