Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

andern das verwilligt, was er zu fodern kein Recht
hätte. Er gibt seinen Schuz, anstat seiner Freund-
schaft, durch ein gnädiges Kopfnikken, anstat ei-
ner gewöhnlichen Verbeugung, zu erkennen; und
deutet vielmehr seine Genehmhaltung an, daß der
andre mit ihm gehen, sizen, essen, oder trinken
könne, als seine Einladung, daß er es thun solle.)

(Die zähe Freigebigkeit eines auf sein Geld
stolzen Mannes beschimpft die Dürftigkeit, der
sie zuweilen abhilft. Er sorgt dafür, daß der
andre sein Unglük und den Unterschied zwischen
ihrer beider Zustande empfinden muß, und gibt
zu verstehen, beides wäre mit Recht verdient,
des andern Armuth durch seine Thorheit, sein
eigner Wohlstand durch seine Weisheit.)

(Der übermüthige Pedant theilt nicht seine
Wissenschaft mit, sondern ruft sie aus. Er gibt
sie einem nicht, sondern dringt sie auf. Er ist,
wo möglich, begieriger, andern ihre Unwissenheit,
als seine eigne Gelehrsamkeit zu zeigen.)

(Ein solches Verhalten pflegt nicht nur in den
besondern von mir angeführten Umständen, son-
dern auch in allen andern, den kleinen Stolz und

die
E 3

andern das verwilligt, was er zu fodern kein Recht
haͤtte. Er gibt ſeinen Schuz, anſtat ſeiner Freund-
ſchaft, durch ein gnaͤdiges Kopfnikken, anſtat ei-
ner gewoͤhnlichen Verbeugung, zu erkennen; und
deutet vielmehr ſeine Genehmhaltung an, daß der
andre mit ihm gehen, ſizen, eſſen, oder trinken
koͤnne, als ſeine Einladung, daß er es thun ſolle.)

(Die zaͤhe Freigebigkeit eines auf ſein Geld
ſtolzen Mannes beſchimpft die Duͤrftigkeit, der
ſie zuweilen abhilft. Er ſorgt dafuͤr, daß der
andre ſein Ungluͤk und den Unterſchied zwiſchen
ihrer beider Zuſtande empfinden muß, und gibt
zu verſtehen, beides waͤre mit Recht verdient,
des andern Armuth durch ſeine Thorheit, ſein
eigner Wohlſtand durch ſeine Weisheit.)

(Der uͤbermuͤthige Pedant theilt nicht ſeine
Wiſſenſchaft mit, ſondern ruft ſie aus. Er gibt
ſie einem nicht, ſondern dringt ſie auf. Er iſt,
wo moͤglich, begieriger, andern ihre Unwiſſenheit,
als ſeine eigne Gelehrſamkeit zu zeigen.)

(Ein ſolches Verhalten pflegt nicht nur in den
beſondern von mir angefuͤhrten Umſtaͤnden, ſon-
dern auch in allen andern, den kleinen Stolz und

die
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="69"/>
andern das verwilligt, was er zu fodern kein Recht<lb/>
ha&#x0364;tte. Er gibt &#x017F;einen Schuz, an&#x017F;tat &#x017F;einer Freund-<lb/>
&#x017F;chaft, durch ein gna&#x0364;diges Kopfnikken, an&#x017F;tat ei-<lb/>
ner gewo&#x0364;hnlichen Verbeugung, zu erkennen; und<lb/>
deutet vielmehr &#x017F;eine Genehmhaltung an, daß der<lb/>
andre mit ihm gehen, &#x017F;izen, e&#x017F;&#x017F;en, oder trinken<lb/>
ko&#x0364;nne, als &#x017F;eine Einladung, daß er es thun &#x017F;olle.)</p><lb/>
        <p>(Die za&#x0364;he Freigebigkeit eines auf &#x017F;ein Geld<lb/>
&#x017F;tolzen Mannes be&#x017F;chimpft die Du&#x0364;rftigkeit, der<lb/>
&#x017F;ie zuweilen abhilft. Er &#x017F;orgt dafu&#x0364;r, daß der<lb/>
andre &#x017F;ein Unglu&#x0364;k und den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/>
ihrer beider Zu&#x017F;tande empfinden muß, und gibt<lb/>
zu ver&#x017F;tehen, beides wa&#x0364;re mit Recht verdient,<lb/>
des andern Armuth durch &#x017F;eine Thorheit, &#x017F;ein<lb/>
eigner Wohl&#x017F;tand durch &#x017F;eine Weisheit.)</p><lb/>
        <p>(Der u&#x0364;bermu&#x0364;thige Pedant theilt nicht &#x017F;eine<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mit, &#x017F;ondern ruft &#x017F;ie aus. Er gibt<lb/>
&#x017F;ie einem nicht, &#x017F;ondern dringt &#x017F;ie auf. Er i&#x017F;t,<lb/>
wo mo&#x0364;glich, begieriger, andern ihre Unwi&#x017F;&#x017F;enheit,<lb/>
als &#x017F;eine eigne Gelehr&#x017F;amkeit zu zeigen.)</p><lb/>
        <p>(Ein &#x017F;olches Verhalten pflegt nicht nur in den<lb/>
be&#x017F;ondern von mir angefu&#x0364;hrten Um&#x017F;ta&#x0364;nden, &#x017F;on-<lb/>
dern auch in allen andern, den kleinen Stolz und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0075] andern das verwilligt, was er zu fodern kein Recht haͤtte. Er gibt ſeinen Schuz, anſtat ſeiner Freund- ſchaft, durch ein gnaͤdiges Kopfnikken, anſtat ei- ner gewoͤhnlichen Verbeugung, zu erkennen; und deutet vielmehr ſeine Genehmhaltung an, daß der andre mit ihm gehen, ſizen, eſſen, oder trinken koͤnne, als ſeine Einladung, daß er es thun ſolle.) (Die zaͤhe Freigebigkeit eines auf ſein Geld ſtolzen Mannes beſchimpft die Duͤrftigkeit, der ſie zuweilen abhilft. Er ſorgt dafuͤr, daß der andre ſein Ungluͤk und den Unterſchied zwiſchen ihrer beider Zuſtande empfinden muß, und gibt zu verſtehen, beides waͤre mit Recht verdient, des andern Armuth durch ſeine Thorheit, ſein eigner Wohlſtand durch ſeine Weisheit.) (Der uͤbermuͤthige Pedant theilt nicht ſeine Wiſſenſchaft mit, ſondern ruft ſie aus. Er gibt ſie einem nicht, ſondern dringt ſie auf. Er iſt, wo moͤglich, begieriger, andern ihre Unwiſſenheit, als ſeine eigne Gelehrſamkeit zu zeigen.) (Ein ſolches Verhalten pflegt nicht nur in den beſondern von mir angefuͤhrten Umſtaͤnden, ſon- dern auch in allen andern, den kleinen Stolz und die E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/75
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/75>, abgerufen am 05.12.2024.