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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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(Mit Willen nim keine ärgerliche Geschichte
an, noch breite sie weiter aus! Denn obschon
andrer Verunglimpfung auf einen Augenblik den
boshaften Stolz unsrer Herzen befriedigen kan, so
wird doch kaltblütige Betrachtung aus einem sol-
chen Betragen sehr nachtheilige Folgerungen zie-
hen; und im Falle der Verläumdung sowohl als
im Falle des Raubs wird der Hehler allezeit für
so schlim gehalten, als der Stehler.)


(Ich darf dich, dünkt mich, nicht erst ermah-
nen, deine Unterredung nach denen Leuten einzu-
richten, mit denen du umgehst. Denn ich ver-
muthe, du würdest, auch ohne diese Warnung,
nicht von der nemlichen Materie und auf die
nemliche Art gegen einen Staatsminister, einen
Bischof, einen Philosophen, einen Hauptman
und ein Frauenzimmer reden. Ein Weltman
muß, wie das Kamäleon, im Stande sein, jede
verschiedne Farbe anzunehmen. Das ist keines-
wegs eine lasterhafte oder niederträgtige, sondern
nothwendige Gefälligkeit; denn sie bezieht sich blos
auf das Bezeigen, nicht auf die Grundsäze.)



(Nur
D 4

(Mit Willen nim keine aͤrgerliche Geſchichte
an, noch breite ſie weiter aus! Denn obſchon
andrer Verunglimpfung auf einen Augenblik den
boshaften Stolz unſrer Herzen befriedigen kan, ſo
wird doch kaltbluͤtige Betrachtung aus einem ſol-
chen Betragen ſehr nachtheilige Folgerungen zie-
hen; und im Falle der Verlaͤumdung ſowohl als
im Falle des Raubs wird der Hehler allezeit fuͤr
ſo ſchlim gehalten, als der Stehler.)


(Ich darf dich, duͤnkt mich, nicht erſt ermah-
nen, deine Unterredung nach denen Leuten einzu-
richten, mit denen du umgehſt. Denn ich ver-
muthe, du wuͤrdeſt, auch ohne dieſe Warnung,
nicht von der nemlichen Materie und auf die
nemliche Art gegen einen Staatsminiſter, einen
Biſchof, einen Philoſophen, einen Hauptman
und ein Frauenzimmer reden. Ein Weltman
muß, wie das Kamaͤleon, im Stande ſein, jede
verſchiedne Farbe anzunehmen. Das iſt keines-
wegs eine laſterhafte oder niedertraͤgtige, ſondern
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[55/0061] (Mit Willen nim keine aͤrgerliche Geſchichte an, noch breite ſie weiter aus! Denn obſchon andrer Verunglimpfung auf einen Augenblik den boshaften Stolz unſrer Herzen befriedigen kan, ſo wird doch kaltbluͤtige Betrachtung aus einem ſol- chen Betragen ſehr nachtheilige Folgerungen zie- hen; und im Falle der Verlaͤumdung ſowohl als im Falle des Raubs wird der Hehler allezeit fuͤr ſo ſchlim gehalten, als der Stehler.) (Ich darf dich, duͤnkt mich, nicht erſt ermah- nen, deine Unterredung nach denen Leuten einzu- richten, mit denen du umgehſt. Denn ich ver- muthe, du wuͤrdeſt, auch ohne dieſe Warnung, nicht von der nemlichen Materie und auf die nemliche Art gegen einen Staatsminiſter, einen Biſchof, einen Philoſophen, einen Hauptman und ein Frauenzimmer reden. Ein Weltman muß, wie das Kamaͤleon, im Stande ſein, jede verſchiedne Farbe anzunehmen. Das iſt keines- wegs eine laſterhafte oder niedertraͤgtige, ſondern nothwendige Gefaͤlligkeit; denn ſie bezieht ſich blos auf das Bezeigen, nicht auf die Grundſaͤze.) (Nur D 4

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/61>, abgerufen am 29.11.2024.