als mit Ehrerbietung nähern. Eine solche ehrer- bietige Aufmerksamkeit gegen das andre Geschlecht, welche weder unter der Würde des unsrigen ist, noch irgend einem schadet, ist zu unserm guten Fortkommen in der Welt unentbehrlich. Denn jeder junge Man erhält, bei seinem Eintrit in die Welt, das Gepräge seines Werths für die Gesel- schaft von dem Frauenzimmer. Suche sie also mit der sorgfältigsten Aufmerksamkeit, und mit der feinsten Höflichkeit zu deinem Vortheil einzu- nehmen. Ich habe oft genug erlebt, daß ihr Ausspruch eine Münze von schlechtem Gehalt gültig und gangbar machte; welchen Glanz wird nun nicht ächtes Schroot und Korn dadurch er- halten! Frauenzimmer, (obschon man ihnen sonst Verstand beilegt) haben alle, mehr oder weniger, Schwäche, Eigensin, Grillen, Launen, und vor- nemlich Eitelkeit: gib ihnen nach, so viel du ohne Niederträchtigkeit oder Verlezung irgend einer deiner Pflichten kanst, und opfere deine eignen kleinen Launen den ihrigen auf.
Junge Leute unsers Geschlechts verfallen leicht dahin, ihr Mißfallen, wo nicht gar Abscheu
und
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als mit Ehrerbietung naͤhern. Eine ſolche ehrer- bietige Aufmerkſamkeit gegen das andre Geſchlecht, welche weder unter der Wuͤrde des unſrigen iſt, noch irgend einem ſchadet, iſt zu unſerm guten Fortkommen in der Welt unentbehrlich. Denn jeder junge Man erhaͤlt, bei ſeinem Eintrit in die Welt, das Gepraͤge ſeines Werths fuͤr die Geſel- ſchaft von dem Frauenzimmer. Suche ſie alſo mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſamkeit, und mit der feinſten Hoͤflichkeit zu deinem Vortheil einzu- nehmen. Ich habe oft genug erlebt, daß ihr Ausſpruch eine Muͤnze von ſchlechtem Gehalt guͤltig und gangbar machte; welchen Glanz wird nun nicht aͤchtes Schroot und Korn dadurch er- halten! Frauenzimmer, (obſchon man ihnen ſonſt Verſtand beilegt) haben alle, mehr oder weniger, Schwaͤche, Eigenſin, Grillen, Launen, und vor- nemlich Eitelkeit: gib ihnen nach, ſo viel du ohne Niedertraͤchtigkeit oder Verlezung irgend einer deiner Pflichten kanſt, und opfere deine eignen kleinen Launen den ihrigen auf.
Junge Leute unſers Geſchlechts verfallen leicht dahin, ihr Mißfallen, wo nicht gar Abſcheu
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als mit Ehrerbietung naͤhern. Eine ſolche ehrer-
bietige Aufmerkſamkeit gegen das andre Geſchlecht,
welche weder unter der Wuͤrde des unſrigen iſt,
noch irgend einem ſchadet, iſt zu unſerm guten
Fortkommen in der Welt unentbehrlich. Denn
jeder junge Man erhaͤlt, bei ſeinem Eintrit in die
Welt, das Gepraͤge ſeines Werths fuͤr die Geſel-
ſchaft von dem Frauenzimmer. Suche ſie alſo
mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſamkeit, und mit
der feinſten Hoͤflichkeit zu deinem Vortheil einzu-
nehmen. Ich habe oft genug erlebt, daß ihr
Ausſpruch eine Muͤnze von ſchlechtem Gehalt
guͤltig und gangbar machte; welchen Glanz wird
nun nicht aͤchtes Schroot und Korn dadurch er-
halten! Frauenzimmer, (obſchon man ihnen ſonſt
Verſtand beilegt) haben alle, mehr oder weniger,
Schwaͤche, Eigenſin, Grillen, Launen, und vor-
nemlich Eitelkeit: gib ihnen nach, ſo viel du ohne
Niedertraͤchtigkeit oder Verlezung irgend einer
deiner Pflichten kanſt, und opfere deine eignen
kleinen Launen den ihrigen auf.
Junge Leute unſers Geſchlechts verfallen leicht
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/47>, abgerufen am 27.07.2024.
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