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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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überal mit der frostigen Miene der Gleichgültig-
keit, oder dem sorglosen Lächeln der Verachtung
aufgenommen ward. Es fehlte ihm nicht so sehr
an Scharfsicht, daß ihm die Ursache, warum er
so wenig galt, lange hätte unbekant bleiben sollen.
Ein Kopf, der durch nichts als das verschönert
war, was ihm die Natur verliehen hatte, einige
herabhängende Haarlokken, ein Rok mit Borten,
die völlig zwei Zol länger waren, als es die Mode
des Tages erfoderte, hatten ihn zum Gegenstande
einer überaus großen Verachtung gemacht.

Er hatte diese Ursachen kaum entdekt, als er
sogleich Anstalt traf, sie aus dem Wege zu räu-
men. Es ward ein Schneider vom besten Ge-
schmakke aufgesucht; der brachte ein mit größter
Kunst verfertigtes Kleid. Des Haaraufsezers
Geschiklichkeit ward verschwenderisch angewandt.
Ihm glühte das Herz, als er sich so ausgerüstet
sah, und mit hizigen Schritten eilt' er nun zu sei-
nen Kameraden.

Ermuntert durch den lauten Beifal, der ihm
nun an allen Orten, wohin er nur kam, entgegen
strömte, beschloß er, sich zum Anführer im guten

Ton
Theophron 2. Th. M

uͤberal mit der froſtigen Miene der Gleichguͤltig-
keit, oder dem ſorgloſen Laͤcheln der Verachtung
aufgenommen ward. Es fehlte ihm nicht ſo ſehr
an Scharfſicht, daß ihm die Urſache, warum er
ſo wenig galt, lange haͤtte unbekant bleiben ſollen.
Ein Kopf, der durch nichts als das verſchoͤnert
war, was ihm die Natur verliehen hatte, einige
herabhaͤngende Haarlokken, ein Rok mit Borten,
die voͤllig zwei Zol laͤnger waren, als es die Mode
des Tages erfoderte, hatten ihn zum Gegenſtande
einer uͤberaus großen Verachtung gemacht.

Er hatte dieſe Urſachen kaum entdekt, als er
ſogleich Anſtalt traf, ſie aus dem Wege zu raͤu-
men. Es ward ein Schneider vom beſten Ge-
ſchmakke aufgeſucht; der brachte ein mit groͤßter
Kunſt verfertigtes Kleid. Des Haaraufſezers
Geſchiklichkeit ward verſchwenderiſch angewandt.
Ihm gluͤhte das Herz, als er ſich ſo ausgeruͤſtet
ſah, und mit hizigen Schritten eilt’ er nun zu ſei-
nen Kameraden.

Ermuntert durch den lauten Beifal, der ihm
nun an allen Orten, wohin er nur kam, entgegen
ſtroͤmte, beſchloß er, ſich zum Anfuͤhrer im guten

Ton
Theophron 2. Th. M
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[177/0183] uͤberal mit der froſtigen Miene der Gleichguͤltig- keit, oder dem ſorgloſen Laͤcheln der Verachtung aufgenommen ward. Es fehlte ihm nicht ſo ſehr an Scharfſicht, daß ihm die Urſache, warum er ſo wenig galt, lange haͤtte unbekant bleiben ſollen. Ein Kopf, der durch nichts als das verſchoͤnert war, was ihm die Natur verliehen hatte, einige herabhaͤngende Haarlokken, ein Rok mit Borten, die voͤllig zwei Zol laͤnger waren, als es die Mode des Tages erfoderte, hatten ihn zum Gegenſtande einer uͤberaus großen Verachtung gemacht. Er hatte dieſe Urſachen kaum entdekt, als er ſogleich Anſtalt traf, ſie aus dem Wege zu raͤu- men. Es ward ein Schneider vom beſten Ge- ſchmakke aufgeſucht; der brachte ein mit groͤßter Kunſt verfertigtes Kleid. Des Haaraufſezers Geſchiklichkeit ward verſchwenderiſch angewandt. Ihm gluͤhte das Herz, als er ſich ſo ausgeruͤſtet ſah, und mit hizigen Schritten eilt’ er nun zu ſei- nen Kameraden. Ermuntert durch den lauten Beifal, der ihm nun an allen Orten, wohin er nur kam, entgegen ſtroͤmte, beſchloß er, ſich zum Anfuͤhrer im guten Ton Theophron 2. Th. M

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/183>, abgerufen am 09.11.2024.