Höflichkeit ist oft mit einem zeremoniösen We- sen begleitet, welches durch Lebensart zwar gemil- dert, aber nicht ganz zur Seite gesezt werden darf. Ein gewisser Grad von Zeremonie ist ein unent- behrliches Aussenwerk für die guten Sitten, so wie für die Religion: sie hält den Muthwillen und den Vorwiz in gehöriger Entfernung, und der verständigere und gesittetere Theil der Men- schen dringt demohngeachtet durch diese Vormauer leicht hindurch. Wir lesen in dem Mährchen von der Tonne, daß Peter von Pomp und Zeremonie zu viel, Jakob zu wenig hatte; Martins Betra- gen hingegen scheint ein nachahmungswürdiges Muster in Ansehung des Gottesdienstes so wohl als der guten Sitten zu sein, und eben diese Mit- telstraße betreten Verstand und Lebensart.
Die Mittel zu gefallen, mein Lieber, verän- dern sich, nach Zeit, Ort und Personen. Es gibt indes eine algemeine Regel, die jederman kent. Sie heißt: Bemühe dich zu gefallen, und du wirst sicher, wenigstens in einem gewissen Grade, gefallen. Zeige, daß dirs darum zu
thun
Hoͤflichkeit iſt oft mit einem zeremonioͤſen We- ſen begleitet, welches durch Lebensart zwar gemil- dert, aber nicht ganz zur Seite geſezt werden darf. Ein gewiſſer Grad von Zeremonie iſt ein unent- behrliches Auſſenwerk fuͤr die guten Sitten, ſo wie fuͤr die Religion: ſie haͤlt den Muthwillen und den Vorwiz in gehoͤriger Entfernung, und der verſtaͤndigere und geſittetere Theil der Men- ſchen dringt demohngeachtet durch dieſe Vormauer leicht hindurch. Wir leſen in dem Maͤhrchen von der Tonne, daß Peter von Pomp und Zeremonie zu viel, Jakob zu wenig hatte; Martins Betra- gen hingegen ſcheint ein nachahmungswuͤrdiges Muſter in Anſehung des Gottesdienſtes ſo wohl als der guten Sitten zu ſein, und eben dieſe Mit- telſtraße betreten Verſtand und Lebensart.
Die Mittel zu gefallen, mein Lieber, veraͤn- dern ſich, nach Zeit, Ort und Perſonen. Es gibt indes eine algemeine Regel, die jederman kent. Sie heißt: Bemuͤhe dich zu gefallen, und du wirſt ſicher, wenigſtens in einem gewiſſen Grade, gefallen. Zeige, daß dirs darum zu
thun
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[10/0016]
Hoͤflichkeit iſt oft mit einem zeremonioͤſen We-
ſen begleitet, welches durch Lebensart zwar gemil-
dert, aber nicht ganz zur Seite geſezt werden darf.
Ein gewiſſer Grad von Zeremonie iſt ein unent-
behrliches Auſſenwerk fuͤr die guten Sitten, ſo
wie fuͤr die Religion: ſie haͤlt den Muthwillen
und den Vorwiz in gehoͤriger Entfernung, und
der verſtaͤndigere und geſittetere Theil der Men-
ſchen dringt demohngeachtet durch dieſe Vormauer
leicht hindurch. Wir leſen in dem Maͤhrchen von
der Tonne, daß Peter von Pomp und Zeremonie
zu viel, Jakob zu wenig hatte; Martins Betra-
gen hingegen ſcheint ein nachahmungswuͤrdiges
Muſter in Anſehung des Gottesdienſtes ſo wohl
als der guten Sitten zu ſein, und eben dieſe Mit-
telſtraße betreten Verſtand und Lebensart.
Die Mittel zu gefallen, mein Lieber, veraͤn-
dern ſich, nach Zeit, Ort und Perſonen. Es gibt
indes eine algemeine Regel, die jederman kent.
Sie heißt: Bemuͤhe dich zu gefallen, und du
wirſt ſicher, wenigſtens in einem gewiſſen
Grade, gefallen. Zeige, daß dirs darum zu
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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