Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Günstling ihn fehlführen, und die Trägheit selbst
ihn zu gewissen Zeiten bewegen, daß er die noth-
wendigen Schritte nach der Höhe, auf die er gern
kommen mögte, verabsäumt oder unterläßt.


Es gibt zwo widersprechende Leidenschaften,
die jedoch, wie Man und Frau, einander oft be-
gleiten, aber auch, wie so mancher Man und so
manche Frau, einander insgemein nur hindern.
Ich meine den Geiz und den Ehrgeiz. Der erste
ist oft die wahre Ursache des lezten, und alsdan
die herschende Leidenschaft.

Das scheint er beim Kardinal Mazarin ge-
wesen zu sein, der, um nur zu plündern, alles
that, sich zu allem verstand, und alles verzieh.
Er liebte und suchte die Macht, gleich einem Wu-
cherer, darum weil sie Gewin mit sich führt.
Wer blos nach dem ehrgeizigen Theile der Ge-
müthsart dieses Mannes seine Meinung gefaßt,
oder seine Maaßregeln genommen hätte, der
würde sich oft betrogen gefunden haben. Einige,
die das bemerkt hatten, machten dadurch ihr
Glük, daß sie sich von ihm beim Spiele betrügen
ließen.

Hinge-

Guͤnſtling ihn fehlfuͤhren, und die Traͤgheit ſelbſt
ihn zu gewiſſen Zeiten bewegen, daß er die noth-
wendigen Schritte nach der Hoͤhe, auf die er gern
kommen moͤgte, verabſaͤumt oder unterlaͤßt.


Es gibt zwo widerſprechende Leidenſchaften,
die jedoch, wie Man und Frau, einander oft be-
gleiten, aber auch, wie ſo mancher Man und ſo
manche Frau, einander insgemein nur hindern.
Ich meine den Geiz und den Ehrgeiz. Der erſte
iſt oft die wahre Urſache des lezten, und alsdan
die herſchende Leidenſchaft.

Das ſcheint er beim Kardinal Mazarin ge-
weſen zu ſein, der, um nur zu pluͤndern, alles
that, ſich zu allem verſtand, und alles verzieh.
Er liebte und ſuchte die Macht, gleich einem Wu-
cherer, darum weil ſie Gewin mit ſich fuͤhrt.
Wer blos nach dem ehrgeizigen Theile der Ge-
muͤthsart dieſes Mannes ſeine Meinung gefaßt,
oder ſeine Maaßregeln genommen haͤtte, der
wuͤrde ſich oft betrogen gefunden haben. Einige,
die das bemerkt hatten, machten dadurch ihr
Gluͤk, daß ſie ſich von ihm beim Spiele betruͤgen
ließen.

Hinge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="108"/>
Gu&#x0364;n&#x017F;tling ihn fehlfu&#x0364;hren, und die Tra&#x0364;gheit &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ihn zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten bewegen, daß er die noth-<lb/>
wendigen Schritte nach der Ho&#x0364;he, auf die er gern<lb/>
kommen mo&#x0364;gte, verab&#x017F;a&#x0364;umt oder unterla&#x0364;ßt.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es gibt zwo wider&#x017F;prechende Leiden&#x017F;chaften,<lb/>
die jedoch, wie Man und Frau, einander oft be-<lb/>
gleiten, aber auch, wie &#x017F;o mancher Man und &#x017F;o<lb/>
manche Frau, einander insgemein nur hindern.<lb/>
Ich meine den Geiz und den Ehrgeiz. Der er&#x017F;te<lb/>
i&#x017F;t oft die wahre Ur&#x017F;ache des lezten, und alsdan<lb/>
die her&#x017F;chende Leiden&#x017F;chaft.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;cheint er beim Kardinal <hi rendition="#fr">Mazarin</hi> ge-<lb/>
we&#x017F;en zu &#x017F;ein, der, um nur zu plu&#x0364;ndern, alles<lb/>
that, &#x017F;ich zu allem ver&#x017F;tand, und alles verzieh.<lb/>
Er liebte und &#x017F;uchte die Macht, gleich einem Wu-<lb/>
cherer, darum weil &#x017F;ie Gewin mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrt.<lb/>
Wer blos nach dem ehrgeizigen Theile der Ge-<lb/>
mu&#x0364;thsart die&#x017F;es Mannes &#x017F;eine Meinung gefaßt,<lb/>
oder &#x017F;eine Maaßregeln genommen ha&#x0364;tte, der<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich oft betrogen gefunden haben. Einige,<lb/>
die das bemerkt hatten, machten dadurch ihr<lb/>
Glu&#x0364;k, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von ihm beim Spiele betru&#x0364;gen<lb/>
ließen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Hinge-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0114] Guͤnſtling ihn fehlfuͤhren, und die Traͤgheit ſelbſt ihn zu gewiſſen Zeiten bewegen, daß er die noth- wendigen Schritte nach der Hoͤhe, auf die er gern kommen moͤgte, verabſaͤumt oder unterlaͤßt. Es gibt zwo widerſprechende Leidenſchaften, die jedoch, wie Man und Frau, einander oft be- gleiten, aber auch, wie ſo mancher Man und ſo manche Frau, einander insgemein nur hindern. Ich meine den Geiz und den Ehrgeiz. Der erſte iſt oft die wahre Urſache des lezten, und alsdan die herſchende Leidenſchaft. Das ſcheint er beim Kardinal Mazarin ge- weſen zu ſein, der, um nur zu pluͤndern, alles that, ſich zu allem verſtand, und alles verzieh. Er liebte und ſuchte die Macht, gleich einem Wu- cherer, darum weil ſie Gewin mit ſich fuͤhrt. Wer blos nach dem ehrgeizigen Theile der Ge- muͤthsart dieſes Mannes ſeine Meinung gefaßt, oder ſeine Maaßregeln genommen haͤtte, der wuͤrde ſich oft betrogen gefunden haben. Einige, die das bemerkt hatten, machten dadurch ihr Gluͤk, daß ſie ſich von ihm beim Spiele betruͤgen ließen. Hinge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/114
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/114>, abgerufen am 05.12.2024.