Aber da wir nicht immer Herren unser selbst sind, welche Zeit und Arbeit nach eigenem Be- lieben wählen und abmessen können: da wir viel- mehr oft in Lagen und Verhältnisse gerathen, in welchen unsere jedesmaligen Beschäftigungen mehr von andern, oder vom Zufal, als von uns selbst abhängen: so ist es nöthig, daß wir uns früh- zeitig gewöhnen, von einem Geschäfte zum andern, auch wenn sie von ganz entgegen- gesezter Beschaffenheit wären, mit einer gewissen Leichtigkeit über zu gehen; un- sere Gedanken schnel und ganz von dem vorhergehenden Gegenstande abzuziehen, und sie auf den zu heften, welcher jezt eben gegenwärtig ist, ohne dabei in Unruhe und Verwirrung zu gerathen. Die Erwerbung einer solchen Geschiklichkeit ist, wie die Erwerbung aller andern Fertigkeiten, lediglich eine Frucht fleißiger Uebung, und zwar der Uebung in jungen Jahren. Denn, wenn man sie bis auf ein ge- wisses Alter verabsäumt hat, und die Sele nun einmahl an einförmige, stetige Beschäftigungen gewöhnt ist: so martert man sich gemeiniglich
umsonst,
D 5
Aber da wir nicht immer Herren unſer ſelbſt ſind, welche Zeit und Arbeit nach eigenem Be- lieben waͤhlen und abmeſſen koͤnnen: da wir viel- mehr oft in Lagen und Verhaͤltniſſe gerathen, in welchen unſere jedesmaligen Beſchaͤftigungen mehr von andern, oder vom Zufal, als von uns ſelbſt abhaͤngen: ſo iſt es noͤthig, daß wir uns fruͤh- zeitig gewoͤhnen, von einem Geſchaͤfte zum andern, auch wenn ſie von ganz entgegen- geſezter Beſchaffenheit waͤren, mit einer gewiſſen Leichtigkeit uͤber zu gehen; un- ſere Gedanken ſchnel und ganz von dem vorhergehenden Gegenſtande abzuziehen, und ſie auf den zu heften, welcher jezt eben gegenwaͤrtig iſt, ohne dabei in Unruhe und Verwirrung zu gerathen. Die Erwerbung einer ſolchen Geſchiklichkeit iſt, wie die Erwerbung aller andern Fertigkeiten, lediglich eine Frucht fleißiger Uebung, und zwar der Uebung in jungen Jahren. Denn, wenn man ſie bis auf ein ge- wiſſes Alter verabſaͤumt hat, und die Sele nun einmahl an einfoͤrmige, ſtetige Beſchaͤftigungen gewoͤhnt iſt: ſo martert man ſich gemeiniglich
umſonſt,
D 5
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Aber da wir nicht immer Herren unſer ſelbſt
ſind, welche Zeit und Arbeit nach eigenem Be-
lieben waͤhlen und abmeſſen koͤnnen: da wir viel-
mehr oft in Lagen und Verhaͤltniſſe gerathen, in
welchen unſere jedesmaligen Beſchaͤftigungen mehr
von andern, oder vom Zufal, als von uns ſelbſt
abhaͤngen: ſo iſt es noͤthig, daß wir uns fruͤh-
zeitig gewoͤhnen, von einem Geſchaͤfte zum
andern, auch wenn ſie von ganz entgegen-
geſezter Beſchaffenheit waͤren, mit einer
gewiſſen Leichtigkeit uͤber zu gehen; un-
ſere Gedanken ſchnel und ganz von dem
vorhergehenden Gegenſtande abzuziehen,
und ſie auf den zu heften, welcher jezt eben
gegenwaͤrtig iſt, ohne dabei in Unruhe und
Verwirrung zu gerathen. Die Erwerbung
einer ſolchen Geſchiklichkeit iſt, wie die Erwerbung
aller andern Fertigkeiten, lediglich eine Frucht
fleißiger Uebung, und zwar der Uebung in jungen
Jahren. Denn, wenn man ſie bis auf ein ge-
wiſſes Alter verabſaͤumt hat, und die Sele nun
einmahl an einfoͤrmige, ſtetige Beſchaͤftigungen
gewoͤhnt iſt: ſo martert man ſich gemeiniglich
umſonſt,
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/87>, abgerufen am 25.11.2024.
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