Erhörung unsers Gebeths denn grad ein Wunder sein? Warum nicht vorherbestimte ordentliche Wirkung natürlicher Ursachen? Oder sahe der alwissende Gott nicht etwa schon von Ewigkeit voraus, daß du grad in dieser oder jener Stunde ihn um dieses oder jenes anrufen würdest? Und glaubst du, daß das Vorhersehen dieses Gebeths auf der Wage der ewigen Weisheit kein Gewicht gehabt habe, welches sie beistimmen konte, den natürlichen Lauf der Dinge dergestalt einzurichten, daß dasjenige, warum du bitten würdest, zu eben der Zeit auch wirklich so erfolgen solte? -- O der lächerlichen Thorheit einiger Afterweisen, welche die Nothwendigkeit und den Nuzen des Gebeths wegräsonnirt zu haben wähnten, wenn sie ein Langes und Breites wider die Möglichkeit dekla- mirt hatten, daß die götliche Weisheit einmahl ge- gebene Naturgeseze wieder abändern, oder die ewige Kette der natürlichen Ursachen und Fol- gen durch ein unmittelbares Zwischenwirken un- terbrechen könne! -- Ich besorge nicht, daß deine Vernunft jemahls schwach genug sein werde, sich von dem falschen Lichte diese angeblichen Weis-
heit
Erhoͤrung unſers Gebeths denn grad ein Wunder ſein? Warum nicht vorherbeſtimte ordentliche Wirkung natuͤrlicher Urſachen? Oder ſahe der alwiſſende Gott nicht etwa ſchon von Ewigkeit voraus, daß du grad in dieſer oder jener Stunde ihn um dieſes oder jenes anrufen wuͤrdeſt? Und glaubſt du, daß das Vorherſehen dieſes Gebeths auf der Wage der ewigen Weisheit kein Gewicht gehabt habe, welches ſie beiſtimmen konte, den natuͤrlichen Lauf der Dinge dergeſtalt einzurichten, daß dasjenige, warum du bitten wuͤrdeſt, zu eben der Zeit auch wirklich ſo erfolgen ſolte? — O der laͤcherlichen Thorheit einiger Afterweiſen, welche die Nothwendigkeit und den Nuzen des Gebeths wegraͤſonnirt zu haben waͤhnten, wenn ſie ein Langes und Breites wider die Moͤglichkeit dekla- mirt hatten, daß die goͤtliche Weisheit einmahl ge- gebene Naturgeſeze wieder abaͤndern, oder die ewige Kette der natuͤrlichen Urſachen und Fol- gen durch ein unmittelbares Zwiſchenwirken un- terbrechen koͤnne! — Ich beſorge nicht, daß deine Vernunft jemahls ſchwach genug ſein werde, ſich von dem falſchen Lichte dieſe angeblichen Weis-
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Erhoͤrung unſers Gebeths denn grad ein Wunder
ſein? Warum nicht vorherbeſtimte ordentliche
Wirkung natuͤrlicher Urſachen? Oder ſahe der
alwiſſende Gott nicht etwa ſchon von Ewigkeit
voraus, daß du grad in dieſer oder jener Stunde
ihn um dieſes oder jenes anrufen wuͤrdeſt? Und
glaubſt du, daß das Vorherſehen dieſes Gebeths
auf der Wage der ewigen Weisheit kein Gewicht
gehabt habe, welches ſie beiſtimmen konte, den
natuͤrlichen Lauf der Dinge dergeſtalt einzurichten,
daß dasjenige, warum du bitten wuͤrdeſt, zu eben
der Zeit auch wirklich ſo erfolgen ſolte? — O
der laͤcherlichen Thorheit einiger Afterweiſen, welche
die Nothwendigkeit und den Nuzen des Gebeths
wegraͤſonnirt zu haben waͤhnten, wenn ſie ein
Langes und Breites wider die Moͤglichkeit dekla-
mirt hatten, daß die goͤtliche Weisheit einmahl ge-
gebene Naturgeſeze wieder abaͤndern, oder die
ewige Kette der natuͤrlichen Urſachen und Fol-
gen durch ein unmittelbares Zwiſchenwirken un-
terbrechen koͤnne! — Ich beſorge nicht, daß
deine Vernunft jemahls ſchwach genug ſein werde,
ſich von dem falſchen Lichte dieſe angeblichen Weis-
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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