die Grenzlinie seines ausschließenden Wirkungs- kreises auch noch um diese herum, und sorge für die bestmögliche Erziehung derselben. Was ihm bei diesem Geschäft an Zeit und Kräften übrig bleibt; das werde seinen Hausgenossen, seinen nächsten Verwandten, seinen Freunden, seinen Mitbürgern gewidmet. Und so erweitere sich von Stufe zu Stufe die Peripherie seiner Wirkungen gerad in dem Maaße, in welchem er seine Kräfte wachsen und bei einer eingeschränkteren Thätig- keit in einem unangenehmen Gedränge fühlt.
Aber er hüte sich hierbei sorgfältig vor einem, nur gar zu möglichen Selbstbetruge. Der mensch- liche Geist, welcher seiner Natur nach immer ins Unendliche strebt, und jede Art von Einschrän- kung äusserst ungern erträgt, überredet sich nur gar zu leicht, daß die nächste Arbeit, wozu ihn seine Pflicht auffodert, schon gethan sei: daß er zu etwas Grösserem Beruf habe; daß er Kräfte und Fähigkeiten in Ueberfluß besize, den Pflichten des Gatten, des Vaters, des Freundes und des Bürgers ein Genüge zu thun und demohngeachtet auch noch aufs Ganze zu wirken. Wehe ihm
und
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die Grenzlinie ſeines ausſchließenden Wirkungs- kreiſes auch noch um dieſe herum, und ſorge fuͤr die beſtmoͤgliche Erziehung derſelben. Was ihm bei dieſem Geſchaͤft an Zeit und Kraͤften uͤbrig bleibt; das werde ſeinen Hausgenoſſen, ſeinen naͤchſten Verwandten, ſeinen Freunden, ſeinen Mitbuͤrgern gewidmet. Und ſo erweitere ſich von Stufe zu Stufe die Peripherie ſeiner Wirkungen gerad in dem Maaße, in welchem er ſeine Kraͤfte wachſen und bei einer eingeſchraͤnkteren Thaͤtig- keit in einem unangenehmen Gedraͤnge fuͤhlt.
Aber er huͤte ſich hierbei ſorgfaͤltig vor einem, nur gar zu moͤglichen Selbſtbetruge. Der menſch- liche Geiſt, welcher ſeiner Natur nach immer ins Unendliche ſtrebt, und jede Art von Einſchraͤn- kung aͤuſſerſt ungern ertraͤgt, uͤberredet ſich nur gar zu leicht, daß die naͤchſte Arbeit, wozu ihn ſeine Pflicht auffodert, ſchon gethan ſei: daß er zu etwas Groͤſſerem Beruf habe; daß er Kraͤfte und Faͤhigkeiten in Ueberfluß beſize, den Pflichten des Gatten, des Vaters, des Freundes und des Buͤrgers ein Genuͤge zu thun und demohngeachtet auch noch aufs Ganze zu wirken. Wehe ihm
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die Grenzlinie ſeines ausſchließenden Wirkungs-
kreiſes auch noch um dieſe herum, und ſorge fuͤr
die beſtmoͤgliche Erziehung derſelben. Was ihm
bei dieſem Geſchaͤft an Zeit und Kraͤften uͤbrig
bleibt; das werde ſeinen Hausgenoſſen, ſeinen
naͤchſten Verwandten, ſeinen Freunden, ſeinen
Mitbuͤrgern gewidmet. Und ſo erweitere ſich von
Stufe zu Stufe die Peripherie ſeiner Wirkungen
gerad in dem Maaße, in welchem er ſeine Kraͤfte
wachſen und bei einer eingeſchraͤnkteren Thaͤtig-
keit in einem unangenehmen Gedraͤnge fuͤhlt.
Aber er huͤte ſich hierbei ſorgfaͤltig vor einem,
nur gar zu moͤglichen Selbſtbetruge. Der menſch-
liche Geiſt, welcher ſeiner Natur nach immer ins
Unendliche ſtrebt, und jede Art von Einſchraͤn-
kung aͤuſſerſt ungern ertraͤgt, uͤberredet ſich nur
gar zu leicht, daß die naͤchſte Arbeit, wozu ihn
ſeine Pflicht auffodert, ſchon gethan ſei: daß er
zu etwas Groͤſſerem Beruf habe; daß er Kraͤfte
und Faͤhigkeiten in Ueberfluß beſize, den Pflichten
des Gatten, des Vaters, des Freundes und des
Buͤrgers ein Genuͤge zu thun und demohngeachtet
auch noch aufs Ganze zu wirken. Wehe ihm
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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