O mein Sohn! Hätt' ich Ursache zu besorgen, daß du jemahls, durch Beispiel angestekt, in diese eben so thörichte, als gefährliche Seuche der Ruhm- sucht verfallen köntest: ich wolte Gott auf meinen Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft zu irgend einer vorzüglichen Wirksamkeit, welche dir Beifal erwerben könte, versagen mögte; wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur grade so viel körperliches und geistiges Vermögen ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um sich vor Mangel zu schüzen! Denn, bei Gott dem Alwissenden! du würdest so viel glüklicher sein!
"Aber, wirst du vielleicht denken, die Ehrbe- gierde ist doch ein so mächtiger Sporn zu vielem Guten, welches, ohne sie, wohl unerreicht blei- ben würde!" -- Ja, wohl ein Sporn -- aber wehe dem trägen Rosse, welches innerer antrei- benden Kräfte beraubt, nicht anders läuft, als wenn es von aussen gespornt wird! Es wird frei- lich des Sporns wegen seine Kräfte übernehmen; aber auch bald ermattet und steif nur noch
O mein Sohn! Haͤtt’ ich Urſache zu beſorgen, daß du jemahls, durch Beiſpiel angeſtekt, in dieſe eben ſo thoͤrichte, als gefaͤhrliche Seuche der Ruhm- ſucht verfallen koͤnteſt: ich wolte Gott auf meinen Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft zu irgend einer vorzuͤglichen Wirkſamkeit, welche dir Beifal erwerben koͤnte, verſagen moͤgte; wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur grade ſo viel koͤrperliches und geiſtiges Vermoͤgen ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um ſich vor Mangel zu ſchuͤzen! Denn, bei Gott dem Alwiſſenden! du wuͤrdeſt ſo viel gluͤklicher ſein!
“Aber, wirſt du vielleicht denken, die Ehrbe- gierde iſt doch ein ſo maͤchtiger Sporn zu vielem Guten, welches, ohne ſie, wohl unerreicht blei- ben wuͤrde!„ — Ja, wohl ein Sporn — aber wehe dem traͤgen Roſſe, welches innerer antrei- benden Kraͤfte beraubt, nicht anders laͤuft, als wenn es von auſſen geſpornt wird! Es wird frei- lich des Sporns wegen ſeine Kraͤfte uͤbernehmen; aber auch bald ermattet und ſteif nur noch
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B
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Misvergnuͤgen tauſend weite Fluͤgelthuͤre auf-
gethan!
O mein Sohn! Haͤtt’ ich Urſache zu beſorgen,
daß du jemahls, durch Beiſpiel angeſtekt, in dieſe
eben ſo thoͤrichte, als gefaͤhrliche Seuche der Ruhm-
ſucht verfallen koͤnteſt: ich wolte Gott auf meinen
Knien bitten, daß er dir jedes Talent, jede Kraft
zu irgend einer vorzuͤglichen Wirkſamkeit, welche
dir Beifal erwerben koͤnte, verſagen moͤgte;
wolte Tag und Nacht ihn bitten, daß er dir nur
grade ſo viel koͤrperliches und geiſtiges Vermoͤgen
ließe, als der ehrliche Holzhauer bedarf, um ſich
vor Mangel zu ſchuͤzen! Denn, bei Gott dem
Alwiſſenden! du wuͤrdeſt ſo viel gluͤklicher ſein!
“Aber, wirſt du vielleicht denken, die Ehrbe-
gierde iſt doch ein ſo maͤchtiger Sporn zu vielem
Guten, welches, ohne ſie, wohl unerreicht blei-
ben wuͤrde!„ — Ja, wohl ein Sporn — aber
wehe dem traͤgen Roſſe, welches innerer antrei-
benden Kraͤfte beraubt, nicht anders laͤuft, als
wenn es von auſſen geſpornt wird! Es wird frei-
lich des Sporns wegen ſeine Kraͤfte uͤbernehmen;
aber auch bald ermattet und ſteif nur noch
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/47>, abgerufen am 16.02.2025.
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