und sein Gedächtniß zusehends geschwächt, seine Einbildungskraft verunreiniget, sein Muth ge- lähmt, seine ganze Sele entmant, und die Zufrie- denheit seines ganzen Lebens auf immer zernichtet wird. Das sind schrekliche Folgen, mein Sohn! Wer kan davon benachrichtiget sein, ohne davor zurükzuschaudern?
Und doch -- vergib, du Theurer, wenn dein Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be- sorgniß sich beleidiget fühlt! Und doch, wenn ich alle die Reizungen und Versuchungen zur Unzucht, denen du entgegen gehst, wenn ich die Macht des algemeinen Beispiels, die Zügellosigkeit der heutigen Sitten, den unbegreiflichen Leichtsin, mit welchem man über Schandthaten dieser Art selbst in der bessern Geselschaft zu scherzen pflegt, wenn ich die Wirkungen reizender Speisen und Getränke, die Ueberraschungen unvorhergesehener starker Versuchungen, und alle die teuflischen Versüh-
rungs-
und ſein Gedaͤchtniß zuſehends geſchwaͤcht, ſeine Einbildungskraft verunreiniget, ſein Muth ge- laͤhmt, ſeine ganze Sele entmant, und die Zufrie- denheit ſeines ganzen Lebens auf immer zernichtet wird. Das ſind ſchrekliche Folgen, mein Sohn! Wer kan davon benachrichtiget ſein, ohne davor zuruͤkzuſchaudern?
Und doch — vergib, du Theurer, wenn dein Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be- ſorgniß ſich beleidiget fuͤhlt! Und doch, wenn ich alle die Reizungen und Verſuchungen zur Unzucht, denen du entgegen gehſt, wenn ich die Macht des algemeinen Beiſpiels, die Zuͤgelloſigkeit der heutigen Sitten, den unbegreiflichen Leichtſin, mit welchem man uͤber Schandthaten dieſer Art ſelbſt in der beſſern Geſelſchaft zu ſcherzen pflegt, wenn ich die Wirkungen reizender Speiſen und Getraͤnke, die Ueberraſchungen unvorhergeſehener ſtarker Verſuchungen, und alle die teufliſchen Verſuͤh-
rungs-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0290"n="260"/>
und ſein Gedaͤchtniß zuſehends geſchwaͤcht, ſeine<lb/>
Einbildungskraft verunreiniget, ſein Muth ge-<lb/>
laͤhmt, ſeine ganze Sele entmant, und die Zufrie-<lb/>
denheit ſeines ganzen Lebens auf immer zernichtet<lb/>
wird. Das ſind ſchrekliche Folgen, mein Sohn!<lb/>
Wer kan davon benachrichtiget ſein, ohne davor<lb/>
zuruͤkzuſchaudern?</p><lb/><p>Und doch — vergib, du Theurer, wenn dein<lb/>
Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be-<lb/>ſorgniß ſich beleidiget fuͤhlt! Und doch, wenn ich<lb/>
alle die Reizungen und Verſuchungen zur Unzucht,<lb/>
denen du entgegen gehſt, wenn ich die Macht des<lb/>
algemeinen Beiſpiels, die Zuͤgelloſigkeit der heutigen<lb/>
Sitten, den unbegreiflichen Leichtſin, mit welchem<lb/>
man uͤber Schandthaten dieſer Art ſelbſt in der<lb/>
beſſern Geſelſchaft zu ſcherzen pflegt, wenn ich<lb/>
die Wirkungen reizender Speiſen und Getraͤnke,<lb/>
die Ueberraſchungen unvorhergeſehener ſtarker<lb/>
Verſuchungen, und alle die teufliſchen Verſuͤh-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">rungs-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[260/0290]
und ſein Gedaͤchtniß zuſehends geſchwaͤcht, ſeine
Einbildungskraft verunreiniget, ſein Muth ge-
laͤhmt, ſeine ganze Sele entmant, und die Zufrie-
denheit ſeines ganzen Lebens auf immer zernichtet
wird. Das ſind ſchrekliche Folgen, mein Sohn!
Wer kan davon benachrichtiget ſein, ohne davor
zuruͤkzuſchaudern?
Und doch — vergib, du Theurer, wenn dein
Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be-
ſorgniß ſich beleidiget fuͤhlt! Und doch, wenn ich
alle die Reizungen und Verſuchungen zur Unzucht,
denen du entgegen gehſt, wenn ich die Macht des
algemeinen Beiſpiels, die Zuͤgelloſigkeit der heutigen
Sitten, den unbegreiflichen Leichtſin, mit welchem
man uͤber Schandthaten dieſer Art ſelbſt in der
beſſern Geſelſchaft zu ſcherzen pflegt, wenn ich
die Wirkungen reizender Speiſen und Getraͤnke,
die Ueberraſchungen unvorhergeſehener ſtarker
Verſuchungen, und alle die teufliſchen Verſuͤh-
rungs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/290>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.