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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Frauenzimmer kan gegen ihren guten Ruf nie
gleichgültig werden, bis sie weiß, daß er nun doch
einmahl unwiederbringlich verloren sei; und die
engelreinste weibliche Unschuld kan nie so sorglos
werden, daß sie aus bloßer Unbedachtsamkeit ein
Betragen annähme, welches ihr Dasein zweifel-
haft machen könte. Diejenige also, welche Ver-
dacht erwekte, hat in den meisten Fällen ihn auch
verdient, in einem gewissen Grade wenigstens ihn
verdient; und sie gehöre daher auch nicht zu denen,
welchen du eine vorzügliche Achtung und Aufmerk-
samkeit erweisen mußt.

Zweitens: erfülle dein Herz mit einem
tiefen lebendigen Abscheu gegen alle die
schamlosen, frechen und unverschämten
Dirnen und Weiber, welche in ihren
Blikken, Mienen, Anzuge, Reden und
Handlungen das Schild der Unzucht aus-
hängen, und wohl gar so weit gehen, es

recht

Frauenzimmer kan gegen ihren guten Ruf nie
gleichguͤltig werden, bis ſie weiß, daß er nun doch
einmahl unwiederbringlich verloren ſei; und die
engelreinſte weibliche Unſchuld kan nie ſo ſorglos
werden, daß ſie aus bloßer Unbedachtſamkeit ein
Betragen annaͤhme, welches ihr Daſein zweifel-
haft machen koͤnte. Diejenige alſo, welche Ver-
dacht erwekte, hat in den meiſten Faͤllen ihn auch
verdient, in einem gewiſſen Grade wenigſtens ihn
verdient; und ſie gehoͤre daher auch nicht zu denen,
welchen du eine vorzuͤgliche Achtung und Aufmerk-
ſamkeit erweiſen mußt.

Zweitens: erfuͤlle dein Herz mit einem
tiefen lebendigen Abſcheu gegen alle die
ſchamloſen, frechen und unverſchaͤmten
Dirnen und Weiber, welche in ihren
Blikken, Mienen, Anzuge, Reden und
Handlungen das Schild der Unzucht aus-
haͤngen, und wohl gar ſo weit gehen, es

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[258/0288] Frauenzimmer kan gegen ihren guten Ruf nie gleichguͤltig werden, bis ſie weiß, daß er nun doch einmahl unwiederbringlich verloren ſei; und die engelreinſte weibliche Unſchuld kan nie ſo ſorglos werden, daß ſie aus bloßer Unbedachtſamkeit ein Betragen annaͤhme, welches ihr Daſein zweifel- haft machen koͤnte. Diejenige alſo, welche Ver- dacht erwekte, hat in den meiſten Faͤllen ihn auch verdient, in einem gewiſſen Grade wenigſtens ihn verdient; und ſie gehoͤre daher auch nicht zu denen, welchen du eine vorzuͤgliche Achtung und Aufmerk- ſamkeit erweiſen mußt. Zweitens: erfuͤlle dein Herz mit einem tiefen lebendigen Abſcheu gegen alle die ſchamloſen, frechen und unverſchaͤmten Dirnen und Weiber, welche in ihren Blikken, Mienen, Anzuge, Reden und Handlungen das Schild der Unzucht aus- haͤngen, und wohl gar ſo weit gehen, es recht

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/288>, abgerufen am 25.11.2024.