einzige, sich in die Schule dieser gefährlichen Lehr- meisterinnen zu begeben. Denn sie sind es, und nur sie allein, welche das Hökkerichte in unsern äusserlichen Sitten abzuhobeln, das Rauhe zu glätten, und unserm ganzen Wesen denjenigen Weltfirniß anzustreichen wissen, ohne welchen die liebenswürdigsten Tugenden verkant, die größten Verdienste vernachlässiget werden. Sie sind es, durch welche wir mit unserm eigenen Geschlechte, fast mögt' ich sagen, mit uns selbst, erst recht be- kant werden, weil sie sowohl mehr Interesse da- bei haben, sich in die verschlossenen Männerherzen einzuschleichen, als auch mehr Gelegenheit und mehr natürliche Geschiklichkeit dazu. Sie sind es endlich, welche sich das Monopolium des Lobes und des Tadels, des guten und bösen Rufes in der Geselschaft angemaßt haben, und es dergestalt auszuüben wissen, daß unser guter Nahme mit dem Grade ihres Beifals allezeit im genauesten Verhältniß steht. Man kan also ihrer nun ein- mahl nicht entbehren, muß nun einmahl ihnen zu gefallen suchen; und die Frage ist also blos: wie man es anzufangen habe, um aus ihrer Ge-
selschaft
einzige, ſich in die Schule dieſer gefaͤhrlichen Lehr- meiſterinnen zu begeben. Denn ſie ſind es, und nur ſie allein, welche das Hoͤkkerichte in unſern aͤuſſerlichen Sitten abzuhobeln, das Rauhe zu glaͤtten, und unſerm ganzen Weſen denjenigen Weltfirniß anzuſtreichen wiſſen, ohne welchen die liebenswuͤrdigſten Tugenden verkant, die groͤßten Verdienſte vernachlaͤſſiget werden. Sie ſind es, durch welche wir mit unſerm eigenen Geſchlechte, faſt moͤgt’ ich ſagen, mit uns ſelbſt, erſt recht be- kant werden, weil ſie ſowohl mehr Intereſſe da- bei haben, ſich in die verſchloſſenen Maͤnnerherzen einzuſchleichen, als auch mehr Gelegenheit und mehr natuͤrliche Geſchiklichkeit dazu. Sie ſind es endlich, welche ſich das Monopolium des Lobes und des Tadels, des guten und boͤſen Rufes in der Geſelſchaft angemaßt haben, und es dergeſtalt auszuuͤben wiſſen, daß unſer guter Nahme mit dem Grade ihres Beifals allezeit im genaueſten Verhaͤltniß ſteht. Man kan alſo ihrer nun ein- mahl nicht entbehren, muß nun einmahl ihnen zu gefallen ſuchen; und die Frage iſt alſo blos: wie man es anzufangen habe, um aus ihrer Ge-
ſelſchaft
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einzige, ſich in die Schule dieſer gefaͤhrlichen Lehr-
meiſterinnen zu begeben. Denn ſie ſind es, und
nur ſie allein, welche das Hoͤkkerichte in unſern
aͤuſſerlichen Sitten abzuhobeln, das Rauhe zu
glaͤtten, und unſerm ganzen Weſen denjenigen
Weltfirniß anzuſtreichen wiſſen, ohne welchen die
liebenswuͤrdigſten Tugenden verkant, die groͤßten
Verdienſte vernachlaͤſſiget werden. Sie ſind es,
durch welche wir mit unſerm eigenen Geſchlechte,
faſt moͤgt’ ich ſagen, mit uns ſelbſt, erſt recht be-
kant werden, weil ſie ſowohl mehr Intereſſe da-
bei haben, ſich in die verſchloſſenen Maͤnnerherzen
einzuſchleichen, als auch mehr Gelegenheit und
mehr natuͤrliche Geſchiklichkeit dazu. Sie ſind
es endlich, welche ſich das Monopolium des Lobes
und des Tadels, des guten und boͤſen Rufes in
der Geſelſchaft angemaßt haben, und es dergeſtalt
auszuuͤben wiſſen, daß unſer guter Nahme mit
dem Grade ihres Beifals allezeit im genaueſten
Verhaͤltniß ſteht. Man kan alſo ihrer nun ein-
mahl nicht entbehren, muß nun einmahl ihnen
zu gefallen ſuchen; und die Frage iſt alſo blos:
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/284>, abgerufen am 16.02.2025.
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