alles ist von selbst einleuchtend, und bedarf also keines Beweises. Aber nun laß uns auch die an- dere Seite betrachten.
Ist es recht, auf das Urtheil der Menschen Rüksicht zu nehmen, wenn Pflicht und Gewissen nach deutlich erkanten Gründen einmahl schon entschieden haben? Hängt es in jedem Falle von uns ab, auch die Leichtsinnigen, auch die Thoren, auch die neidischen und verläumderischen Menschen durch unser Verhalten zu befriedigen? Und ist es daher weise, den Tadel solcher Leute zu Herzen zu nehmen, sich darüber zu härmen, sich wohl gar in rechtmäßigen und lobenswürdigen Handlungen dadurch stören zu lassen? Es er- gibt sich abermahls von selbst, daß alle diese Fragen mit nein! zu beantworten sind. Laß uns nun, nach dieser Auseinandersezung, diejenigen Verhaltungsregeln merken, welche daraus herge- leitet werden können.
Die erste: sorge ja dafür, daß dein je- desmaliges Betragen den Beifal der Weisen und Guten habe. Dahin wirst du aber es in den meisten Fällen sicher bringen können, wenn
dein
alles iſt von ſelbſt einleuchtend, und bedarf alſo keines Beweiſes. Aber nun laß uns auch die an- dere Seite betrachten.
Iſt es recht, auf das Urtheil der Menſchen Ruͤkſicht zu nehmen, wenn Pflicht und Gewiſſen nach deutlich erkanten Gruͤnden einmahl ſchon entſchieden haben? Haͤngt es in jedem Falle von uns ab, auch die Leichtſinnigen, auch die Thoren, auch die neidiſchen und verlaͤumderiſchen Menſchen durch unſer Verhalten zu befriedigen? Und iſt es daher weiſe, den Tadel ſolcher Leute zu Herzen zu nehmen, ſich daruͤber zu haͤrmen, ſich wohl gar in rechtmaͤßigen und lobenswuͤrdigen Handlungen dadurch ſtoͤren zu laſſen? Es er- gibt ſich abermahls von ſelbſt, daß alle dieſe Fragen mit nein! zu beantworten ſind. Laß uns nun, nach dieſer Auseinanderſezung, diejenigen Verhaltungsregeln merken, welche daraus herge- leitet werden koͤnnen.
Die erſte: ſorge ja dafuͤr, daß dein je- desmaliges Betragen den Beifal der Weiſen und Guten habe. Dahin wirſt du aber es in den meiſten Faͤllen ſicher bringen koͤnnen, wenn
dein
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alles iſt von ſelbſt einleuchtend, und bedarf alſo
keines Beweiſes. Aber nun laß uns auch die an-
dere Seite betrachten.
Iſt es recht, auf das Urtheil der Menſchen
Ruͤkſicht zu nehmen, wenn Pflicht und Gewiſſen
nach deutlich erkanten Gruͤnden einmahl ſchon
entſchieden haben? Haͤngt es in jedem Falle
von uns ab, auch die Leichtſinnigen, auch die
Thoren, auch die neidiſchen und verlaͤumderiſchen
Menſchen durch unſer Verhalten zu befriedigen?
Und iſt es daher weiſe, den Tadel ſolcher Leute
zu Herzen zu nehmen, ſich daruͤber zu haͤrmen,
ſich wohl gar in rechtmaͤßigen und lobenswuͤrdigen
Handlungen dadurch ſtoͤren zu laſſen? Es er-
gibt ſich abermahls von ſelbſt, daß alle dieſe
Fragen mit nein! zu beantworten ſind. Laß uns
nun, nach dieſer Auseinanderſezung, diejenigen
Verhaltungsregeln merken, welche daraus herge-
leitet werden koͤnnen.
Die erſte: ſorge ja dafuͤr, daß dein je-
desmaliges Betragen den Beifal der Weiſen
und Guten habe. Dahin wirſt du aber es
in den meiſten Faͤllen ſicher bringen koͤnnen, wenn
dein
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/262>, abgerufen am 16.02.2025.
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