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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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schweifend, selbstsüchtig, gewissenlos und schurkisch
im Leben sein könne.



Auch von den Großen dieser Erde --
wie gütig und zuvorkommend sie sich auch zu dir
herablassen mögen -- erwarte keine wahre
Freundschaft, keine fortdauernde Zuneigung,
keine bleibende Erkentlichkeit für das, was
du an deinem Vermögen, an deiner Ruhe
und an deiner Gesundheit für sie aufopferst
.
Es wäre ein Wunder aller Wunder, wenn diese
Leute, die von früher Kindheit an gewöhnt wer-
den, sich selbst für den Mittelpunct der Schöp-
fung, für die algemeine Sonne zu halten, um
welche alle andere Wesen, als Planeten oder
Trabanten, im gehörigen Abstande sich herum-
drehen müssen, um Licht, Glanz und Wärme von
ihnen zu empfangen, wenn diese Leute, sag'
ich, jemanden im Ernst für ein Wesen ihres
Geschlechts ansehen, ihn in der That mehr, als
ihr Windspiel, ihren Affen, ihr Favoritpferd
lieben, ihm für das, was er für sie thut oder
leidet, sich wirklich zur Dankbarkeit verbunden

glauben
O 5

ſchweifend, ſelbſtſuͤchtig, gewiſſenlos und ſchurkiſch
im Leben ſein koͤnne.



Auch von den Großen dieſer Erde
wie guͤtig und zuvorkommend ſie ſich auch zu dir
herablaſſen moͤgen — erwarte keine wahre
Freundſchaft, keine fortdauernde Zuneigung,
keine bleibende Erkentlichkeit fuͤr das, was
du an deinem Vermoͤgen, an deiner Ruhe
und an deiner Geſundheit fuͤr ſie aufopferſt
.
Es waͤre ein Wunder aller Wunder, wenn dieſe
Leute, die von fruͤher Kindheit an gewoͤhnt wer-
den, ſich ſelbſt fuͤr den Mittelpunct der Schoͤp-
fung, fuͤr die algemeine Sonne zu halten, um
welche alle andere Weſen, als Planeten oder
Trabanten, im gehoͤrigen Abſtande ſich herum-
drehen muͤſſen, um Licht, Glanz und Waͤrme von
ihnen zu empfangen, wenn dieſe Leute, ſag’
ich, jemanden im Ernſt fuͤr ein Weſen ihres
Geſchlechts anſehen, ihn in der That mehr, als
ihr Windſpiel, ihren Affen, ihr Favoritpferd
lieben, ihm fuͤr das, was er fuͤr ſie thut oder
leidet, ſich wirklich zur Dankbarkeit verbunden

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[217/0247] ſchweifend, ſelbſtſuͤchtig, gewiſſenlos und ſchurkiſch im Leben ſein koͤnne. Auch von den Großen dieſer Erde — wie guͤtig und zuvorkommend ſie ſich auch zu dir herablaſſen moͤgen — erwarte keine wahre Freundſchaft, keine fortdauernde Zuneigung, keine bleibende Erkentlichkeit fuͤr das, was du an deinem Vermoͤgen, an deiner Ruhe und an deiner Geſundheit fuͤr ſie aufopferſt. Es waͤre ein Wunder aller Wunder, wenn dieſe Leute, die von fruͤher Kindheit an gewoͤhnt wer- den, ſich ſelbſt fuͤr den Mittelpunct der Schoͤp- fung, fuͤr die algemeine Sonne zu halten, um welche alle andere Weſen, als Planeten oder Trabanten, im gehoͤrigen Abſtande ſich herum- drehen muͤſſen, um Licht, Glanz und Waͤrme von ihnen zu empfangen, wenn dieſe Leute, ſag’ ich, jemanden im Ernſt fuͤr ein Weſen ihres Geſchlechts anſehen, ihn in der That mehr, als ihr Windſpiel, ihren Affen, ihr Favoritpferd lieben, ihm fuͤr das, was er fuͤr ſie thut oder leidet, ſich wirklich zur Dankbarkeit verbunden glauben O 5

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/247>, abgerufen am 29.09.2024.