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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Bibel, wie der Teufel in der Versuchungsgeschichte,
zitiert, um hinterlistige Falschheit und Betrügereien
zu beschönigen, und dabei den gottlästernden Wahn
hegt, daß eine Religion, welche blos in Worten,
blos im Beten und Singen und in einer ängstli-
chen Beobachtung aller für heilig gehaltenen Zere-
monien besteht, ein volgültiges Lösegeld für jede
auch noch so große Verschuldung und eine bündige
Freisprechung von allen natürlichen und bürger-
lichen Pflichten sei! Fliehe diese kristlichen Phari-
säer; und kehre, so oft du die Wahl hast, viel
lieber bei Zölnern und Sündern ein, fest über-
zeugt, daß offenbare Ruchlosigkeit nicht so gefähr-
lich sei, als verstelte Frömmigkeit.



Ich verlasse diese verabscheuungswürdige Klasse
von Menschen, um dich mit einer andern bekant
zu machen, welche das Produkt der leztverflos-
senen zwölf Jahre, und hoffentlich nur eine
vorübergehende Erscheinung war, die künftig blos
in der Geschichte unserer Litteratur und unserer
Sitten existiren wird. Es traten nemlich plözlich
einige junge Männer von glühender Einbildungs-

kraft,

Bibel, wie der Teufel in der Verſuchungsgeſchichte,
zitiert, um hinterliſtige Falſchheit und Betruͤgereien
zu beſchoͤnigen, und dabei den gottlaͤſternden Wahn
hegt, daß eine Religion, welche blos in Worten,
blos im Beten und Singen und in einer aͤngſtli-
chen Beobachtung aller fuͤr heilig gehaltenen Zere-
monien beſteht, ein volguͤltiges Loͤſegeld fuͤr jede
auch noch ſo große Verſchuldung und eine buͤndige
Freiſprechung von allen natuͤrlichen und buͤrger-
lichen Pflichten ſei! Fliehe dieſe kriſtlichen Phari-
ſaͤer; und kehre, ſo oft du die Wahl haſt, viel
lieber bei Zoͤlnern und Suͤndern ein, feſt uͤber-
zeugt, daß offenbare Ruchloſigkeit nicht ſo gefaͤhr-
lich ſei, als verſtelte Froͤmmigkeit.



Ich verlaſſe dieſe verabſcheuungswuͤrdige Klaſſe
von Menſchen, um dich mit einer andern bekant
zu machen, welche das Produkt der leztverfloſ-
ſenen zwoͤlf Jahre, und hoffentlich nur eine
voruͤbergehende Erſcheinung war, die kuͤnftig blos
in der Geſchichte unſerer Litteratur und unſerer
Sitten exiſtiren wird. Es traten nemlich ploͤzlich
einige junge Maͤnner von gluͤhender Einbildungs-

kraft,
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[208/0238] Bibel, wie der Teufel in der Verſuchungsgeſchichte, zitiert, um hinterliſtige Falſchheit und Betruͤgereien zu beſchoͤnigen, und dabei den gottlaͤſternden Wahn hegt, daß eine Religion, welche blos in Worten, blos im Beten und Singen und in einer aͤngſtli- chen Beobachtung aller fuͤr heilig gehaltenen Zere- monien beſteht, ein volguͤltiges Loͤſegeld fuͤr jede auch noch ſo große Verſchuldung und eine buͤndige Freiſprechung von allen natuͤrlichen und buͤrger- lichen Pflichten ſei! Fliehe dieſe kriſtlichen Phari- ſaͤer; und kehre, ſo oft du die Wahl haſt, viel lieber bei Zoͤlnern und Suͤndern ein, feſt uͤber- zeugt, daß offenbare Ruchloſigkeit nicht ſo gefaͤhr- lich ſei, als verſtelte Froͤmmigkeit. Ich verlaſſe dieſe verabſcheuungswuͤrdige Klaſſe von Menſchen, um dich mit einer andern bekant zu machen, welche das Produkt der leztverfloſ- ſenen zwoͤlf Jahre, und hoffentlich nur eine voruͤbergehende Erſcheinung war, die kuͤnftig blos in der Geſchichte unſerer Litteratur und unſerer Sitten exiſtiren wird. Es traten nemlich ploͤzlich einige junge Maͤnner von gluͤhender Einbildungs- kraft,

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/238>, abgerufen am 24.11.2024.