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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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seiner begeisterten Vorstellungen umzuwenden,
um auch die andern Seiten desselben in Augen-
schein zu nehmen. --

Gemeiniglich ist jeder Schwärmer auch zu-
gleich ein Fanatiker, das heißt, ein Schwärmer
in religiösen Dingen. Und das ist sehr natür-
lich: denn nirgends findet seine wilde Fantasie
ein weiteres Feld, als grade hier, sobald sie nur
erst über die engen Grenzen einer vernünftigen
und aufgeklärten Religion in den unendlichen
Raum des Aberglaubens hinübergesprungen ist.
Da ist das eigentliche Klima der Schwärmerei;
da wachsen Schimären und Hirngespinste, wie
Schwämme an sumpfichten Orten, mit einer
Leichtigkeit und Geschwindigkeit hervor! Da
gibt es in orientalischen Metaphern, Gleichniß-
reden, dunkeln oder verstümmelten Schrift-
stellen, der Veranlassungen zu Träumereien,
der Scheinbeweise zur Unterstüzung auch der
allerwidersinnigsten Grillen so viele! Wie solte
also der, welcher nun einmahl Lust und Hang
zu schwärmen hat, nicht lieber hier, wo ihm
das Unendliche offen steht, als innerhalb der

Grenzen
N 2

ſeiner begeiſterten Vorſtellungen umzuwenden,
um auch die andern Seiten deſſelben in Augen-
ſchein zu nehmen. —

Gemeiniglich iſt jeder Schwaͤrmer auch zu-
gleich ein Fanatiker, das heißt, ein Schwaͤrmer
in religioͤſen Dingen. Und das iſt ſehr natuͤr-
lich: denn nirgends findet ſeine wilde Fantaſie
ein weiteres Feld, als grade hier, ſobald ſie nur
erſt uͤber die engen Grenzen einer vernuͤnftigen
und aufgeklaͤrten Religion in den unendlichen
Raum des Aberglaubens hinuͤbergeſprungen iſt.
Da iſt das eigentliche Klima der Schwaͤrmerei;
da wachſen Schimaͤren und Hirngeſpinſte, wie
Schwaͤmme an ſumpfichten Orten, mit einer
Leichtigkeit und Geſchwindigkeit hervor! Da
gibt es in orientaliſchen Metaphern, Gleichniß-
reden, dunkeln oder verſtuͤmmelten Schrift-
ſtellen, der Veranlaſſungen zu Traͤumereien,
der Scheinbeweiſe zur Unterſtuͤzung auch der
allerwiderſinnigſten Grillen ſo viele! Wie ſolte
alſo der, welcher nun einmahl Luſt und Hang
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das Unendliche offen ſteht, als innerhalb der

Grenzen
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[195/0225] ſeiner begeiſterten Vorſtellungen umzuwenden, um auch die andern Seiten deſſelben in Augen- ſchein zu nehmen. — Gemeiniglich iſt jeder Schwaͤrmer auch zu- gleich ein Fanatiker, das heißt, ein Schwaͤrmer in religioͤſen Dingen. Und das iſt ſehr natuͤr- lich: denn nirgends findet ſeine wilde Fantaſie ein weiteres Feld, als grade hier, ſobald ſie nur erſt uͤber die engen Grenzen einer vernuͤnftigen und aufgeklaͤrten Religion in den unendlichen Raum des Aberglaubens hinuͤbergeſprungen iſt. Da iſt das eigentliche Klima der Schwaͤrmerei; da wachſen Schimaͤren und Hirngeſpinſte, wie Schwaͤmme an ſumpfichten Orten, mit einer Leichtigkeit und Geſchwindigkeit hervor! Da gibt es in orientaliſchen Metaphern, Gleichniß- reden, dunkeln oder verſtuͤmmelten Schrift- ſtellen, der Veranlaſſungen zu Traͤumereien, der Scheinbeweiſe zur Unterſtuͤzung auch der allerwiderſinnigſten Grillen ſo viele! Wie ſolte alſo der, welcher nun einmahl Luſt und Hang zu ſchwaͤrmen hat, nicht lieber hier, wo ihm das Unendliche offen ſteht, als innerhalb der Grenzen N 2

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/225>, abgerufen am 24.11.2024.