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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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schaft eine solche Stellung zu nehmen, daß du,
dafern es sein muß, wieder zurüktreten könnest,
ohne daß du irgend einen, aus Unvorsichtigkeit
geschürzten Knoten, auf eine gewaltsame und also
schmerzhafte Weise wieder zu zerreissen nöthig
habest. Eine, mit Wärme angefangene Freund-
schaft, zu einem kältern Grade herabstimmen zu
wollen, ist allemahl beleidigend: sei du daher nicht
eher warm, bis du zuverlässig weißt, daß du es
immer werdest bleiben können.

Allein bei dieser algemeinen Regel darf ichs
nicht bewenden lassen, wenn ich dich nicht der
Gefahr aussezen wil, auch bei der genauesten Be-
folgung derselben, dennoch öfters fehlzugreifen.
Denn du wirst mit Leuten zusammentreffen, deren
Person, Karakter und Sitten nicht blos anfangs,
sondern auch noch bei fortdauernder Bekantschaft
ungemein viel Einnehmendes und Anlokkendes an
sich haben; ja deren Rechtschaffenheit und unei-
gennüziges Wesen eine ziemliche Zeitlang sogar die
Thatenprobe auszuhalten scheinen, und mit denen
gleichwohl in genauere Freundschaft zu treten ganz
und gar nicht rathsam sein würde. Diese muß

ich

ſchaft eine ſolche Stellung zu nehmen, daß du,
dafern es ſein muß, wieder zuruͤktreten koͤnneſt,
ohne daß du irgend einen, aus Unvorſichtigkeit
geſchuͤrzten Knoten, auf eine gewaltſame und alſo
ſchmerzhafte Weiſe wieder zu zerreiſſen noͤthig
habeſt. Eine, mit Waͤrme angefangene Freund-
ſchaft, zu einem kaͤltern Grade herabſtimmen zu
wollen, iſt allemahl beleidigend: ſei du daher nicht
eher warm, bis du zuverlaͤſſig weißt, daß du es
immer werdeſt bleiben koͤnnen.

Allein bei dieſer algemeinen Regel darf ichs
nicht bewenden laſſen, wenn ich dich nicht der
Gefahr ausſezen wil, auch bei der genaueſten Be-
folgung derſelben, dennoch oͤfters fehlzugreifen.
Denn du wirſt mit Leuten zuſammentreffen, deren
Perſon, Karakter und Sitten nicht blos anfangs,
ſondern auch noch bei fortdauernder Bekantſchaft
ungemein viel Einnehmendes und Anlokkendes an
ſich haben; ja deren Rechtſchaffenheit und unei-
gennuͤziges Weſen eine ziemliche Zeitlang ſogar die
Thatenprobe auszuhalten ſcheinen, und mit denen
gleichwohl in genauere Freundſchaft zu treten ganz
und gar nicht rathſam ſein wuͤrde. Dieſe muß

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[182/0212] ſchaft eine ſolche Stellung zu nehmen, daß du, dafern es ſein muß, wieder zuruͤktreten koͤnneſt, ohne daß du irgend einen, aus Unvorſichtigkeit geſchuͤrzten Knoten, auf eine gewaltſame und alſo ſchmerzhafte Weiſe wieder zu zerreiſſen noͤthig habeſt. Eine, mit Waͤrme angefangene Freund- ſchaft, zu einem kaͤltern Grade herabſtimmen zu wollen, iſt allemahl beleidigend: ſei du daher nicht eher warm, bis du zuverlaͤſſig weißt, daß du es immer werdeſt bleiben koͤnnen. Allein bei dieſer algemeinen Regel darf ichs nicht bewenden laſſen, wenn ich dich nicht der Gefahr ausſezen wil, auch bei der genaueſten Be- folgung derſelben, dennoch oͤfters fehlzugreifen. Denn du wirſt mit Leuten zuſammentreffen, deren Perſon, Karakter und Sitten nicht blos anfangs, ſondern auch noch bei fortdauernder Bekantſchaft ungemein viel Einnehmendes und Anlokkendes an ſich haben; ja deren Rechtſchaffenheit und unei- gennuͤziges Weſen eine ziemliche Zeitlang ſogar die Thatenprobe auszuhalten ſcheinen, und mit denen gleichwohl in genauere Freundſchaft zu treten ganz und gar nicht rathſam ſein wuͤrde. Dieſe muß ich

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/212>, abgerufen am 24.11.2024.