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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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für baare Münze nimt, ist vor Freuden außer
sich; glaubt unter Engel gerathen zu sein. Seine
nächsten Briefe an abwesende Verwandte und
Freunde sind vol von Ausrufungen über alle die
vortreflichen, edlen, herlichen Selen, mit denen
sein gutes Geschik ihn in Verbindung gebracht
hat; er kan das Uebermaaß seiner Glükseeligkeit
nicht fassen, und wenn ihm ja noch irgend etwas
Misvergnügen macht, so ist es dieses, daß von
seiner ganzen Familie er der einzige war, den der
Himmel in dieses milde Selenklima versezte, in
welchem Freundschaft und Liebe, wie die Früchte
des goldenen Zeitalters, ohne alle Kultur so ganz
von selbst hervorwachsen, und ihren reichen See-
gen jedem Wanderer zur unentgeldlichen Labung
bieten.

Armer, betrogener Jüngling! Wie wird dir
zu Muthe sein, wenn nach einigen Monaten --
vielleicht schon früher, vielleicht auch später --
die Bezauberung aufhören und deine Sele aus der
hohen idealischen Himmelsgegend, wie Ikarus,
mit geschmolzenen Flügeln herabsinken und in den
abkühlenden Ozean der Wirklichkeit fallen wird! --


Um

fuͤr baare Muͤnze nimt, iſt vor Freuden außer
ſich; glaubt unter Engel gerathen zu ſein. Seine
naͤchſten Briefe an abweſende Verwandte und
Freunde ſind vol von Ausrufungen uͤber alle die
vortreflichen, edlen, herlichen Selen, mit denen
ſein gutes Geſchik ihn in Verbindung gebracht
hat; er kan das Uebermaaß ſeiner Gluͤkſeeligkeit
nicht faſſen, und wenn ihm ja noch irgend etwas
Misvergnuͤgen macht, ſo iſt es dieſes, daß von
ſeiner ganzen Familie er der einzige war, den der
Himmel in dieſes milde Selenklima verſezte, in
welchem Freundſchaft und Liebe, wie die Fruͤchte
des goldenen Zeitalters, ohne alle Kultur ſo ganz
von ſelbſt hervorwachſen, und ihren reichen See-
gen jedem Wanderer zur unentgeldlichen Labung
bieten.

Armer, betrogener Juͤngling! Wie wird dir
zu Muthe ſein, wenn nach einigen Monaten —
vielleicht ſchon fruͤher, vielleicht auch ſpaͤter —
die Bezauberung aufhoͤren und deine Sele aus der
hohen idealiſchen Himmelsgegend, wie Ikarus,
mit geſchmolzenen Fluͤgeln herabſinken und in den
abkuͤhlenden Ozean der Wirklichkeit fallen wird! —


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[180/0210] fuͤr baare Muͤnze nimt, iſt vor Freuden außer ſich; glaubt unter Engel gerathen zu ſein. Seine naͤchſten Briefe an abweſende Verwandte und Freunde ſind vol von Ausrufungen uͤber alle die vortreflichen, edlen, herlichen Selen, mit denen ſein gutes Geſchik ihn in Verbindung gebracht hat; er kan das Uebermaaß ſeiner Gluͤkſeeligkeit nicht faſſen, und wenn ihm ja noch irgend etwas Misvergnuͤgen macht, ſo iſt es dieſes, daß von ſeiner ganzen Familie er der einzige war, den der Himmel in dieſes milde Selenklima verſezte, in welchem Freundſchaft und Liebe, wie die Fruͤchte des goldenen Zeitalters, ohne alle Kultur ſo ganz von ſelbſt hervorwachſen, und ihren reichen See- gen jedem Wanderer zur unentgeldlichen Labung bieten. Armer, betrogener Juͤngling! Wie wird dir zu Muthe ſein, wenn nach einigen Monaten — vielleicht ſchon fruͤher, vielleicht auch ſpaͤter — die Bezauberung aufhoͤren und deine Sele aus der hohen idealiſchen Himmelsgegend, wie Ikarus, mit geſchmolzenen Fluͤgeln herabſinken und in den abkuͤhlenden Ozean der Wirklichkeit fallen wird! — Um

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/210>, abgerufen am 24.11.2024.