von den Menschen zu erwarten, als mit ihrer Gemächlichkeit, mit ihrem Vergnü- gen und mit ihrem eigenen Vortheile be- stehen kan. Um Gottes willen erträume dir keine Schäferwelt, keine Idillenmenschen mit zuvorkommender Engelsgüte! Du würdest das Urbild dieses Traumgesichtes nirgends finden; würdest bald mit Schrekken daraus erwachen, und je höher deine Erwartungen gespant gewesen wären, desto schmerzhafter würde dir die Ent- dekkung deines Irthums sein.
Stelle dir vielmehr vor, du wärest ein Wan- derer, der in eine Herberge vol singender, tan- zender und schmausender Gäste käme. Je nach- dem deine Miene, dein Anzug, und die Art, wie du dich einführst, den guten Geselschafter verra- then, wird man mit mehr oder weniger Höflich- keitserweisungen dir entgegen kommen. Der eine wird dir eine Priese, der andere ein Glas bieten, eine dritte dich zum Tanz einladen, ein vierter vielleicht, dem der Kopf eben nicht recht steht, mit dir zanken wollen. Du würdest auf gleiche Weise Unrecht haben, wenn du den Erstern wahre
bleibende
von den Menſchen zu erwarten, als mit ihrer Gemaͤchlichkeit, mit ihrem Vergnuͤ- gen und mit ihrem eigenen Vortheile be- ſtehen kan. Um Gottes willen ertraͤume dir keine Schaͤferwelt, keine Idillenmenſchen mit zuvorkommender Engelsguͤte! Du wuͤrdeſt das Urbild dieſes Traumgeſichtes nirgends finden; wuͤrdeſt bald mit Schrekken daraus erwachen, und je hoͤher deine Erwartungen geſpant geweſen waͤren, deſto ſchmerzhafter wuͤrde dir die Ent- dekkung deines Irthums ſein.
Stelle dir vielmehr vor, du waͤreſt ein Wan- derer, der in eine Herberge vol ſingender, tan- zender und ſchmauſender Gaͤſte kaͤme. Je nach- dem deine Miene, dein Anzug, und die Art, wie du dich einfuͤhrſt, den guten Geſelſchafter verra- then, wird man mit mehr oder weniger Hoͤflich- keitserweiſungen dir entgegen kommen. Der eine wird dir eine Prieſe, der andere ein Glas bieten, eine dritte dich zum Tanz einladen, ein vierter vielleicht, dem der Kopf eben nicht recht ſteht, mit dir zanken wollen. Du wuͤrdeſt auf gleiche Weiſe Unrecht haben, wenn du den Erſtern wahre
bleibende
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="144"/><hirendition="#fr">von den Menſchen zu erwarten, als mit<lb/>
ihrer Gemaͤchlichkeit, mit ihrem Vergnuͤ-<lb/>
gen und mit ihrem eigenen Vortheile be-<lb/>ſtehen kan</hi>. Um Gottes willen ertraͤume dir<lb/>
keine Schaͤferwelt, keine Idillenmenſchen mit<lb/>
zuvorkommender Engelsguͤte! Du wuͤrdeſt das<lb/>
Urbild dieſes Traumgeſichtes nirgends finden;<lb/>
wuͤrdeſt bald mit Schrekken daraus erwachen,<lb/>
und je hoͤher deine Erwartungen geſpant geweſen<lb/>
waͤren, deſto ſchmerzhafter wuͤrde dir die Ent-<lb/>
dekkung deines Irthums ſein.</p><lb/><p>Stelle dir vielmehr vor, du waͤreſt ein Wan-<lb/>
derer, der in eine Herberge vol ſingender, tan-<lb/>
zender und ſchmauſender Gaͤſte kaͤme. Je nach-<lb/>
dem deine Miene, dein Anzug, und die Art, wie<lb/>
du dich einfuͤhrſt, den guten Geſelſchafter verra-<lb/>
then, wird man mit mehr oder weniger Hoͤflich-<lb/>
keitserweiſungen dir entgegen kommen. Der eine<lb/>
wird dir eine Prieſe, der andere ein Glas bieten,<lb/>
eine dritte dich zum Tanz einladen, ein vierter<lb/>
vielleicht, dem der Kopf eben nicht recht ſteht,<lb/>
mit dir zanken wollen. Du wuͤrdeſt auf gleiche<lb/>
Weiſe Unrecht haben, wenn du den Erſtern wahre<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bleibende</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[144/0174]
von den Menſchen zu erwarten, als mit
ihrer Gemaͤchlichkeit, mit ihrem Vergnuͤ-
gen und mit ihrem eigenen Vortheile be-
ſtehen kan. Um Gottes willen ertraͤume dir
keine Schaͤferwelt, keine Idillenmenſchen mit
zuvorkommender Engelsguͤte! Du wuͤrdeſt das
Urbild dieſes Traumgeſichtes nirgends finden;
wuͤrdeſt bald mit Schrekken daraus erwachen,
und je hoͤher deine Erwartungen geſpant geweſen
waͤren, deſto ſchmerzhafter wuͤrde dir die Ent-
dekkung deines Irthums ſein.
Stelle dir vielmehr vor, du waͤreſt ein Wan-
derer, der in eine Herberge vol ſingender, tan-
zender und ſchmauſender Gaͤſte kaͤme. Je nach-
dem deine Miene, dein Anzug, und die Art, wie
du dich einfuͤhrſt, den guten Geſelſchafter verra-
then, wird man mit mehr oder weniger Hoͤflich-
keitserweiſungen dir entgegen kommen. Der eine
wird dir eine Prieſe, der andere ein Glas bieten,
eine dritte dich zum Tanz einladen, ein vierter
vielleicht, dem der Kopf eben nicht recht ſteht,
mit dir zanken wollen. Du wuͤrdeſt auf gleiche
Weiſe Unrecht haben, wenn du den Erſtern wahre
bleibende
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/174>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.