bei jeder Gelegenheit sich blos darum so tief herab sezen, damit man ihnen wiedersprechen, und sie desto mehr erheben sol. "Einige von jenen reden grade zu, ohne gereizt zu sein, auf eine anpreisende Weise von sich selbst; und diese sind unverschämt. Andere gehen, wie sie sich einbilden, listiger zu Werke; sie erdichten Beschuldigungen wieder sich selbst, beschweren sich über nie gehörte Verläum- dungen, um nur, zu ihrer Rechtfertigung, ein Verzeichniß ihrer vielen Tugenden zu liefern. Sie erkenten zwar, sprechen sie, daß es seltsam her- auskommen würde, auf solche Art von sich selbst zu reden; ihr Geschmak wär' es auch nicht, und sie würden es nimmermehr gethan haben; keine Martern solten es ihnen abgenöthigt haben, wenn sie nicht so ungerechter und abscheulicher Weise wären beschuldigt worden. In solchem Falle aber müßte man sicher sich und andern Recht verschaf- fen, und wenn unser guter Name angegriffen würde, könte man zu seiner Vertheidigung alles sagen, was man sonst niemahls gesagt hätte. Dieser dünne, vor die Eitelkeit gezogene, Schleier der Bescheidenheit ist viel zu durchsichtig, als daß
er
bei jeder Gelegenheit ſich blos darum ſo tief herab ſezen, damit man ihnen wiederſprechen, und ſie deſto mehr erheben ſol. “Einige von jenen reden grade zu, ohne gereizt zu ſein, auf eine anpreiſende Weiſe von ſich ſelbſt; und dieſe ſind unverſchaͤmt. Andere gehen, wie ſie ſich einbilden, liſtiger zu Werke; ſie erdichten Beſchuldigungen wieder ſich ſelbſt, beſchweren ſich uͤber nie gehoͤrte Verlaͤum- dungen, um nur, zu ihrer Rechtfertigung, ein Verzeichniß ihrer vielen Tugenden zu liefern. Sie erkenten zwar, ſprechen ſie, daß es ſeltſam her- auskommen wuͤrde, auf ſolche Art von ſich ſelbſt zu reden; ihr Geſchmak waͤr’ es auch nicht, und ſie wuͤrden es nimmermehr gethan haben; keine Martern ſolten es ihnen abgenoͤthigt haben, wenn ſie nicht ſo ungerechter und abſcheulicher Weiſe waͤren beſchuldigt worden. In ſolchem Falle aber muͤßte man ſicher ſich und andern Recht verſchaf- fen, und wenn unſer guter Name angegriffen wuͤrde, koͤnte man zu ſeiner Vertheidigung alles ſagen, was man ſonſt niemahls geſagt haͤtte. Dieſer duͤnne, vor die Eitelkeit gezogene, Schleier der Beſcheidenheit iſt viel zu durchſichtig, als daß
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bei jeder Gelegenheit ſich blos darum ſo tief herab
ſezen, damit man ihnen wiederſprechen, und ſie
deſto mehr erheben ſol. “Einige von jenen reden
grade zu, ohne gereizt zu ſein, auf eine anpreiſende
Weiſe von ſich ſelbſt; und dieſe ſind unverſchaͤmt.
Andere gehen, wie ſie ſich einbilden, liſtiger zu
Werke; ſie erdichten Beſchuldigungen wieder ſich
ſelbſt, beſchweren ſich uͤber nie gehoͤrte Verlaͤum-
dungen, um nur, zu ihrer Rechtfertigung, ein
Verzeichniß ihrer vielen Tugenden zu liefern. Sie
erkenten zwar, ſprechen ſie, daß es ſeltſam her-
auskommen wuͤrde, auf ſolche Art von ſich ſelbſt
zu reden; ihr Geſchmak waͤr’ es auch nicht, und
ſie wuͤrden es nimmermehr gethan haben; keine
Martern ſolten es ihnen abgenoͤthigt haben, wenn
ſie nicht ſo ungerechter und abſcheulicher Weiſe
waͤren beſchuldigt worden. In ſolchem Falle aber
muͤßte man ſicher ſich und andern Recht verſchaf-
fen, und wenn unſer guter Name angegriffen
wuͤrde, koͤnte man zu ſeiner Vertheidigung alles
ſagen, was man ſonſt niemahls geſagt haͤtte.
Dieſer duͤnne, vor die Eitelkeit gezogene, Schleier
der Beſcheidenheit iſt viel zu durchſichtig, als daß
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/162>, abgerufen am 25.11.2024.
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