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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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weit gekommen, daß sie, im Bewußtsein ihres
tiefen moralischen Verfals, an der Möglichkeit,
für gut gehalten zu werden, verzweifeln, und
daher ihren ganzen Ehrgeiz blos darauf einschrän-
ken, zu verlangen, daß man nur äusserlich sich
stellen sol, als hielte man sie für besser, als sie
sind. Die Unglüklichen!

Mögte mein trauriger Umriß hiemit vollendet
sein! Aber das ist er leider! noch nicht; ich muß
also fortfahren:



Alle diese Menschen, vorzüglich aber
diejenigen unter ihnen, welche bei jeder
Gelegenheit das Schild der Uneigennüzig-
keit, der Dienstbeflissenheit, und der Groß-
muth aushängen, sind nun auch in hohem
Grade selbstsüchtig und eigennüzig.
Zwar
gibt man sich alle ersinliche Mühe, diese Trieb-
feder seiner Handlungen auf das sorgfältigste zu
verbergen, und den Schein eines edlen, uneigen-
nüzigen und absichtlosen Karakters zu behaupten:
aber umsonst! Das Auge des aufmerksamen
Beobachters dringt durch diesen Nimbus von

Edelmuth

weit gekommen, daß ſie, im Bewußtſein ihres
tiefen moraliſchen Verfals, an der Moͤglichkeit,
fuͤr gut gehalten zu werden, verzweifeln, und
daher ihren ganzen Ehrgeiz blos darauf einſchraͤn-
ken, zu verlangen, daß man nur aͤuſſerlich ſich
ſtellen ſol, als hielte man ſie fuͤr beſſer, als ſie
ſind. Die Ungluͤklichen!

Moͤgte mein trauriger Umriß hiemit vollendet
ſein! Aber das iſt er leider! noch nicht; ich muß
alſo fortfahren:



Alle dieſe Menſchen, vorzuͤglich aber
diejenigen unter ihnen, welche bei jeder
Gelegenheit das Schild der Uneigennuͤzig-
keit, der Dienſtbefliſſenheit, und der Groß-
muth aushaͤngen, ſind nun auch in hohem
Grade ſelbſtſuͤchtig und eigennuͤzig.
Zwar
gibt man ſich alle erſinliche Muͤhe, dieſe Trieb-
feder ſeiner Handlungen auf das ſorgfaͤltigſte zu
verbergen, und den Schein eines edlen, uneigen-
nuͤzigen und abſichtloſen Karakters zu behaupten:
aber umſonſt! Das Auge des aufmerkſamen
Beobachters dringt durch dieſen Nimbus von

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[125/0155] weit gekommen, daß ſie, im Bewußtſein ihres tiefen moraliſchen Verfals, an der Moͤglichkeit, fuͤr gut gehalten zu werden, verzweifeln, und daher ihren ganzen Ehrgeiz blos darauf einſchraͤn- ken, zu verlangen, daß man nur aͤuſſerlich ſich ſtellen ſol, als hielte man ſie fuͤr beſſer, als ſie ſind. Die Ungluͤklichen! Moͤgte mein trauriger Umriß hiemit vollendet ſein! Aber das iſt er leider! noch nicht; ich muß alſo fortfahren: Alle dieſe Menſchen, vorzuͤglich aber diejenigen unter ihnen, welche bei jeder Gelegenheit das Schild der Uneigennuͤzig- keit, der Dienſtbefliſſenheit, und der Groß- muth aushaͤngen, ſind nun auch in hohem Grade ſelbſtſuͤchtig und eigennuͤzig. Zwar gibt man ſich alle erſinliche Muͤhe, dieſe Trieb- feder ſeiner Handlungen auf das ſorgfaͤltigſte zu verbergen, und den Schein eines edlen, uneigen- nuͤzigen und abſichtloſen Karakters zu behaupten: aber umſonſt! Das Auge des aufmerkſamen Beobachters dringt durch dieſen Nimbus von Edelmuth

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/155>, abgerufen am 24.11.2024.