Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Vergleichung ist beleidigend; aber sie ist zum Un-
glük noch mehr, sie ist auch -- treffend!

Wo es mit dieser Verfeinerung und Schwä-
chung der Menschheit am Ende hin wil? Frage
in Griechenland und in Italien nach, und laß
mich vorizt in meiner traurigen Schilderung fort-
fahren.



Alle Menschen, welche eigener Muth-
wille oder unvermeidliche Nothwendigkeit
in den Strudel des großen Weltlebens ge-
stürzt hat, wo sie in wirbelnden Kreisen
erkünstelter Vergnügungen und einer nichts-
würdigen Geschäftigkeit ohn' Unterlaß her-
umgetrieben werden, fühlen sich mehr oder
weniger, je nachdem ihr Kopf von Natur
schwächer oder stärker war, von einem mo-
ralischen Schwindel, von einem leichtsin-
nigen Taumel ergriffen, der sie zu einer
richtigen Beurtheilung sitlicher Gegen-
stände und zu einer herzlichen Theilneh-
mung an Dingen, welche ihren eigenen
Vortheil oder Nachtheil nicht unmittelbar

betref-

Vergleichung iſt beleidigend; aber ſie iſt zum Un-
gluͤk noch mehr, ſie iſt auch — treffend!

Wo es mit dieſer Verfeinerung und Schwaͤ-
chung der Menſchheit am Ende hin wil? Frage
in Griechenland und in Italien nach, und laß
mich vorizt in meiner traurigen Schilderung fort-
fahren.



Alle Menſchen, welche eigener Muth-
wille oder unvermeidliche Nothwendigkeit
in den Strudel des großen Weltlebens ge-
ſtuͤrzt hat, wo ſie in wirbelnden Kreiſen
erkuͤnſtelter Vergnuͤgungen und einer nichts-
wuͤrdigen Geſchaͤftigkeit ohn’ Unterlaß her-
umgetrieben werden, fuͤhlen ſich mehr oder
weniger, je nachdem ihr Kopf von Natur
ſchwaͤcher oder ſtaͤrker war, von einem mo-
raliſchen Schwindel, von einem leichtſin-
nigen Taumel ergriffen, der ſie zu einer
richtigen Beurtheilung ſitlicher Gegen-
ſtaͤnde und zu einer herzlichen Theilneh-
mung an Dingen, welche ihren eigenen
Vortheil oder Nachtheil nicht unmittelbar

betref-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="107"/>
Vergleichung i&#x017F;t beleidigend; aber &#x017F;ie i&#x017F;t zum Un-<lb/>
glu&#x0364;k noch mehr, &#x017F;ie i&#x017F;t auch &#x2014; treffend!</p><lb/>
        <p>Wo es mit die&#x017F;er Verfeinerung und Schwa&#x0364;-<lb/>
chung der Men&#x017F;chheit am Ende hin wil? Frage<lb/>
in Griechenland und in Italien nach, und laß<lb/>
mich vorizt in meiner traurigen Schilderung fort-<lb/>
fahren.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p> <hi rendition="#fr">Alle Men&#x017F;chen, welche eigener Muth-<lb/>
wille oder unvermeidliche Nothwendigkeit<lb/>
in den Strudel des großen Weltlebens ge-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rzt hat, wo &#x017F;ie in wirbelnden Krei&#x017F;en<lb/>
erku&#x0364;n&#x017F;telter Vergnu&#x0364;gungen und einer nichts-<lb/>
wu&#x0364;rdigen Ge&#x017F;cha&#x0364;ftigkeit ohn&#x2019; Unterlaß her-<lb/>
umgetrieben werden, fu&#x0364;hlen &#x017F;ich mehr oder<lb/>
weniger, je nachdem ihr Kopf von Natur<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;cher oder &#x017F;ta&#x0364;rker war, von einem mo-<lb/>
rali&#x017F;chen Schwindel, von einem leicht&#x017F;in-<lb/>
nigen Taumel ergriffen, der &#x017F;ie zu einer<lb/>
richtigen Beurtheilung &#x017F;itlicher Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde und zu einer herzlichen Theilneh-<lb/>
mung an Dingen, welche ihren eigenen<lb/>
Vortheil oder Nachtheil nicht unmittelbar</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">betref-</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0137] Vergleichung iſt beleidigend; aber ſie iſt zum Un- gluͤk noch mehr, ſie iſt auch — treffend! Wo es mit dieſer Verfeinerung und Schwaͤ- chung der Menſchheit am Ende hin wil? Frage in Griechenland und in Italien nach, und laß mich vorizt in meiner traurigen Schilderung fort- fahren. Alle Menſchen, welche eigener Muth- wille oder unvermeidliche Nothwendigkeit in den Strudel des großen Weltlebens ge- ſtuͤrzt hat, wo ſie in wirbelnden Kreiſen erkuͤnſtelter Vergnuͤgungen und einer nichts- wuͤrdigen Geſchaͤftigkeit ohn’ Unterlaß her- umgetrieben werden, fuͤhlen ſich mehr oder weniger, je nachdem ihr Kopf von Natur ſchwaͤcher oder ſtaͤrker war, von einem mo- raliſchen Schwindel, von einem leichtſin- nigen Taumel ergriffen, der ſie zu einer richtigen Beurtheilung ſitlicher Gegen- ſtaͤnde und zu einer herzlichen Theilneh- mung an Dingen, welche ihren eigenen Vortheil oder Nachtheil nicht unmittelbar betref-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/137
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/137>, abgerufen am 24.11.2024.