Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Sobald die Morgenröthe den wiederkehrenden
Tag verkündigte, sprang Kleon neugestärkt
von seinem Lager auf, und erheiterte seine Sele
durch einen Blik in die erwachende Natur, aus
welcher Opferdampf gen Himmel walte. Des
Jünglings Herz walte mit empor; schwebte auf
Flügeln des feurigsten Danks vor dem Trone des
Alvaters, und flehte um Weisheit und Verstand
zur zweckmäßigsten Anwendung des neugeschenkten
Tages.

Jezt quol in feierlicher Stille die albelebende
Gluth der Sonne über den Wald hervor. Und
Kleon eilte, seiner Gewohnheit nach, zum väter-
lichen Schlafgemach, des geliebten Greises Hand
zu küssen und seinen Seegen zu empfangen. Er
fand ihn gleichfals schon im Genuß der schönen
Morgenscene; und auf seinem ehrwürdigen Antliz
schwebte das stille ruhige Lächeln eines späten Som-
mertages, wenn die Stauden schon zu welken,
die Blätter schon zu fallen beginnen.

"Es ist ein großer und rührender Anblik,
sagte Theophron, den die aufgehende Sonne uns

gewährt;

Sobald die Morgenroͤthe den wiederkehrenden
Tag verkuͤndigte, ſprang Kleon neugeſtaͤrkt
von ſeinem Lager auf, und erheiterte ſeine Sele
durch einen Blik in die erwachende Natur, aus
welcher Opferdampf gen Himmel walte. Des
Juͤnglings Herz walte mit empor; ſchwebte auf
Fluͤgeln des feurigſten Danks vor dem Trone des
Alvaters, und flehte um Weisheit und Verſtand
zur zweckmaͤßigſten Anwendung des neugeſchenkten
Tages.

Jezt quol in feierlicher Stille die albelebende
Gluth der Sonne uͤber den Wald hervor. Und
Kleon eilte, ſeiner Gewohnheit nach, zum vaͤter-
lichen Schlafgemach, des geliebten Greiſes Hand
zu kuͤſſen und ſeinen Seegen zu empfangen. Er
fand ihn gleichfals ſchon im Genuß der ſchoͤnen
Morgenſcene; und auf ſeinem ehrwuͤrdigen Antliz
ſchwebte das ſtille ruhige Laͤcheln eines ſpaͤten Som-
mertages, wenn die Stauden ſchon zu welken,
die Blaͤtter ſchon zu fallen beginnen.

“Es iſt ein großer und ruͤhrender Anblik,
ſagte Theophron, den die aufgehende Sonne uns

gewaͤhrt;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0121" n="[91]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>obald die Morgenro&#x0364;the den wiederkehrenden<lb/>
Tag verku&#x0364;ndigte, &#x017F;prang Kleon neuge&#x017F;ta&#x0364;rkt<lb/>
von &#x017F;einem Lager auf, und erheiterte &#x017F;eine Sele<lb/>
durch einen Blik in die erwachende Natur, aus<lb/>
welcher Opferdampf gen Himmel walte. Des<lb/>
Ju&#x0364;nglings Herz walte mit empor; &#x017F;chwebte auf<lb/>
Flu&#x0364;geln des feurig&#x017F;ten Danks vor dem Trone des<lb/>
Alvaters, und flehte um Weisheit und Ver&#x017F;tand<lb/>
zur zweckma&#x0364;ßig&#x017F;ten Anwendung des neuge&#x017F;chenkten<lb/>
Tages.</p><lb/>
        <p>Jezt quol in feierlicher Stille die albelebende<lb/>
Gluth der Sonne u&#x0364;ber den Wald hervor. Und<lb/>
Kleon eilte, &#x017F;einer Gewohnheit nach, zum va&#x0364;ter-<lb/>
lichen Schlafgemach, des geliebten Grei&#x017F;es Hand<lb/>
zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;einen Seegen zu empfangen. Er<lb/>
fand ihn gleichfals &#x017F;chon im Genuß der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Morgen&#x017F;cene; und auf &#x017F;einem ehrwu&#x0364;rdigen Antliz<lb/>
&#x017F;chwebte das &#x017F;tille ruhige La&#x0364;cheln eines &#x017F;pa&#x0364;ten Som-<lb/>
mertages, wenn die Stauden &#x017F;chon zu welken,<lb/>
die Bla&#x0364;tter &#x017F;chon zu fallen beginnen.</p><lb/>
        <p>&#x201C;Es i&#x017F;t ein großer und ru&#x0364;hrender Anblik,<lb/>
&#x017F;agte Theophron, den die aufgehende Sonne uns<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gewa&#x0364;hrt;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[91]/0121] Sobald die Morgenroͤthe den wiederkehrenden Tag verkuͤndigte, ſprang Kleon neugeſtaͤrkt von ſeinem Lager auf, und erheiterte ſeine Sele durch einen Blik in die erwachende Natur, aus welcher Opferdampf gen Himmel walte. Des Juͤnglings Herz walte mit empor; ſchwebte auf Fluͤgeln des feurigſten Danks vor dem Trone des Alvaters, und flehte um Weisheit und Verſtand zur zweckmaͤßigſten Anwendung des neugeſchenkten Tages. Jezt quol in feierlicher Stille die albelebende Gluth der Sonne uͤber den Wald hervor. Und Kleon eilte, ſeiner Gewohnheit nach, zum vaͤter- lichen Schlafgemach, des geliebten Greiſes Hand zu kuͤſſen und ſeinen Seegen zu empfangen. Er fand ihn gleichfals ſchon im Genuß der ſchoͤnen Morgenſcene; und auf ſeinem ehrwuͤrdigen Antliz ſchwebte das ſtille ruhige Laͤcheln eines ſpaͤten Som- mertages, wenn die Stauden ſchon zu welken, die Blaͤtter ſchon zu fallen beginnen. “Es iſt ein großer und ruͤhrender Anblik, ſagte Theophron, den die aufgehende Sonne uns gewaͤhrt;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/121
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. [91]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/121>, abgerufen am 24.11.2024.