Gotlieb. Und denn wären sie alle gekom- men und hätten den armen Robinson selbst umgebracht.
Frizchen. Und aufgefressen dazu!
Vater. Jezt seid ihr auf dem rechten Flekke; zu seiner eigenen Sicherheit must' er's thun, ganz recht! Aber ist man denn wohl be- rechtiget, um sein eigenes Leben zu retten, ei- nen Andern umzubringen?
Alle. O ja!
Vater. Warum?
Johannes. Weil Gott wil, daß wir unser Leben erhalten sollen, so lange wir nur können. Wenn also einer uns umbringen wil, so muß es ja wohl recht sein, ihn erst umzu- bringen, damit er's wohl müsse bleiben lassen.
Vater. Allerdings, lieben Kinder, ist eine solche Nothwehr nach menschlichen und göt- lichen Gesezen recht, aber -- wohl gemerkt! -- nur in dem einzigen Fal, wenn ganz und gar kein anderes Mittel zu unserer ei- genen Rettung übrig ist. Haben wir hin- gegen Gelegenheit, entweder zu entfliehen, oder
von
Gotlieb. Und denn waͤren ſie alle gekom- men und haͤtten den armen Robinſon ſelbſt umgebracht.
Frizchen. Und aufgefreſſen dazu!
Vater. Jezt ſeid ihr auf dem rechten Flekke; zu ſeiner eigenen Sicherheit muſt' er's thun, ganz recht! Aber iſt man denn wohl be- rechtiget, um ſein eigenes Leben zu retten, ei- nen Andern umzubringen?
Alle. O ja!
Vater. Warum?
Johannes. Weil Gott wil, daß wir unſer Leben erhalten ſollen, ſo lange wir nur koͤnnen. Wenn alſo einer uns umbringen wil, ſo muß es ja wohl recht ſein, ihn erſt umzu- bringen, damit er's wohl muͤſſe bleiben laſſen.
Vater. Allerdings, lieben Kinder, iſt eine ſolche Nothwehr nach menſchlichen und goͤt- lichen Geſezen recht, aber — wohl gemerkt! — nur in dem einzigen Fal, wenn ganz und gar kein anderes Mittel zu unſerer ei- genen Rettung uͤbrig iſt. Haben wir hin- gegen Gelegenheit, entweder zu entfliehen, oder
von
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Gotlieb. Und denn waͤren ſie alle gekom-
men und haͤtten den armen Robinſon ſelbſt
umgebracht.
Frizchen. Und aufgefreſſen dazu!
Vater. Jezt ſeid ihr auf dem rechten
Flekke; zu ſeiner eigenen Sicherheit muſt' er's
thun, ganz recht! Aber iſt man denn wohl be-
rechtiget, um ſein eigenes Leben zu retten, ei-
nen Andern umzubringen?
Alle. O ja!
Vater. Warum?
Johannes. Weil Gott wil, daß wir
unſer Leben erhalten ſollen, ſo lange wir nur
koͤnnen. Wenn alſo einer uns umbringen wil,
ſo muß es ja wohl recht ſein, ihn erſt umzu-
bringen, damit er's wohl muͤſſe bleiben laſſen.
Vater. Allerdings, lieben Kinder, iſt
eine ſolche Nothwehr nach menſchlichen und goͤt-
lichen Geſezen recht, aber — wohl gemerkt! —
nur in dem einzigen Fal, wenn ganz und
gar kein anderes Mittel zu unſerer ei-
genen Rettung uͤbrig iſt. Haben wir hin-
gegen Gelegenheit, entweder zu entfliehen, oder
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/84>, abgerufen am 24.11.2024.
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