Vater. Und wenn's nun nicht belehrt wor- den wäre? Wenn sogar seine Eltern und andere erwachsene Menschen, die es liebte und ehrte, ihm von früher Kindheit an immer vorgesagt hätten, daß es etwas sehr schönes sei, seine Feinde zu ermorden und aufzuessen?
Christel. Ja denn --
Vater. Nicht wahr, dan würd' es wohl schwerlich einem Kinde jemahls einfallen, das Gegentheil zu vermuthen? Es würde vielmehr, sobald es groß genug dazu wäre, mit schlachten und mit verzehren helfen. Und das war der Fal, worin diese armen Wilden sich befanden. Wohl, uns, daß Gott uns nicht unter ihnen, sondern von gesitteten Eltern hat lassen geboren werden, die uns frühzeitig lehrten, was recht und unrecht, was gut und böse sei!
Unser menschenfreundlicher Held ging jezt mit Tränen des Mitleids im Auge auf dem Schlacht- felde umher, um zu sehen, ob nicht Einem oder dem Andern von denen, die noch lebten, viel- leicht noch geholfen werden könte? Aber die Mei- sten waren schon verschieden; und die übrigen
star-
Vater. Und wenn's nun nicht belehrt wor- den waͤre? Wenn ſogar ſeine Eltern und andere erwachſene Menſchen, die es liebte und ehrte, ihm von fruͤher Kindheit an immer vorgeſagt haͤtten, daß es etwas ſehr ſchoͤnes ſei, ſeine Feinde zu ermorden und aufzueſſen?
Chriſtel. Ja denn —
Vater. Nicht wahr, dan wuͤrd' es wohl ſchwerlich einem Kinde jemahls einfallen, das Gegentheil zu vermuthen? Es wuͤrde vielmehr, ſobald es groß genug dazu waͤre, mit ſchlachten und mit verzehren helfen. Und das war der Fal, worin dieſe armen Wilden ſich befanden. Wohl, uns, daß Gott uns nicht unter ihnen, ſondern von geſitteten Eltern hat laſſen geboren werden, die uns fruͤhzeitig lehrten, was recht und unrecht, was gut und boͤſe ſei!
Unſer menſchenfreundlicher Held ging jezt mit Traͤnen des Mitleids im Auge auf dem Schlacht- felde umher, um zu ſehen, ob nicht Einem oder dem Andern von denen, die noch lebten, viel- leicht noch geholfen werden koͤnte? Aber die Mei- ſten waren ſchon verſchieden; und die uͤbrigen
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Vater. Und wenn's nun nicht belehrt wor-
den waͤre? Wenn ſogar ſeine Eltern und andere
erwachſene Menſchen, die es liebte und ehrte,
ihm von fruͤher Kindheit an immer vorgeſagt
haͤtten, daß es etwas ſehr ſchoͤnes ſei, ſeine
Feinde zu ermorden und aufzueſſen?
Chriſtel. Ja denn —
Vater. Nicht wahr, dan wuͤrd' es wohl
ſchwerlich einem Kinde jemahls einfallen, das
Gegentheil zu vermuthen? Es wuͤrde vielmehr,
ſobald es groß genug dazu waͤre, mit ſchlachten
und mit verzehren helfen. Und das war der
Fal, worin dieſe armen Wilden ſich befanden.
Wohl, uns, daß Gott uns nicht unter ihnen,
ſondern von geſitteten Eltern hat laſſen geboren
werden, die uns fruͤhzeitig lehrten, was recht
und unrecht, was gut und boͤſe ſei!
Unſer menſchenfreundlicher Held ging jezt mit
Traͤnen des Mitleids im Auge auf dem Schlacht-
felde umher, um zu ſehen, ob nicht Einem oder
dem Andern von denen, die noch lebten, viel-
leicht noch geholfen werden koͤnte? Aber die Mei-
ſten waren ſchon verſchieden; und die uͤbrigen
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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