daß ihnen jezt auch der Wind zu statten kommen würde. Augenbliklich spant' er das Segel aus; der Wind blies lebhaft hinein, und da beide mit den Rudern nachhalfen: so hatten sie in kurzer Zeit die unbeschreibliche Freude, sich aus dem Zuge des Stroms heraus und auf der ruhi- gen Oberfläche des stilstehenden Meeres zu sehn.
Freitag weinte laut vor Freuden, sprang auf und wolte seinem Herrn um den Hals fal- len. Dieser aber bat ihn, seine Empfindungen vor jezt zu mäßigen, weil noch ein gut Stük Arbeit für sie übrig wäre, bevor sie sich für ganz gerettet halten könten. Sie waren nemlich schon so weit verschlagen worden, daß sie von der gan- zen Insel nur noch ein kleines undeutliches schwarzes Flekchen am äussersten Horizont er- blikten.
Frizchen. Am Horizont? Was ist das?
Vater. Frizchen, wenn du draussen auf dem freien Felde bist, komt dir's da nicht vor, als wenn der Himmel rund umher, wie ein großes Gewölbe, bis auf die Erde herab gehe?
Frizchen. Ja!
Va-
L 3
daß ihnen jezt auch der Wind zu ſtatten kommen wuͤrde. Augenbliklich ſpant' er das Segel aus; der Wind blies lebhaft hinein, und da beide mit den Rudern nachhalfen: ſo hatten ſie in kurzer Zeit die unbeſchreibliche Freude, ſich aus dem Zuge des Stroms heraus und auf der ruhi- gen Oberflaͤche des ſtilſtehenden Meeres zu ſehn.
Freitag weinte laut vor Freuden, ſprang auf und wolte ſeinem Herrn um den Hals fal- len. Dieſer aber bat ihn, ſeine Empfindungen vor jezt zu maͤßigen, weil noch ein gut Stuͤk Arbeit fuͤr ſie uͤbrig waͤre, bevor ſie ſich fuͤr ganz gerettet halten koͤnten. Sie waren nemlich ſchon ſo weit verſchlagen worden, daß ſie von der gan- zen Inſel nur noch ein kleines undeutliches ſchwarzes Flekchen am aͤuſſerſten Horizont er- blikten.
Frizchen. Am Horizont? Was iſt das?
Vater. Frizchen, wenn du drauſſen auf dem freien Felde biſt, komt dir's da nicht vor, als wenn der Himmel rund umher, wie ein großes Gewoͤlbe, bis auf die Erde herab gehe?
Frizchen. Ja!
Va-
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daß ihnen jezt auch der Wind zu ſtatten kommen
wuͤrde. Augenbliklich ſpant' er das Segel aus;
der Wind blies lebhaft hinein, und da beide
mit den Rudern nachhalfen: ſo hatten ſie in
kurzer Zeit die unbeſchreibliche Freude, ſich aus
dem Zuge des Stroms heraus und auf der ruhi-
gen Oberflaͤche des ſtilſtehenden Meeres zu ſehn.
Freitag weinte laut vor Freuden, ſprang
auf und wolte ſeinem Herrn um den Hals fal-
len. Dieſer aber bat ihn, ſeine Empfindungen
vor jezt zu maͤßigen, weil noch ein gut Stuͤk
Arbeit fuͤr ſie uͤbrig waͤre, bevor ſie ſich fuͤr ganz
gerettet halten koͤnten. Sie waren nemlich ſchon
ſo weit verſchlagen worden, daß ſie von der gan-
zen Inſel nur noch ein kleines undeutliches
ſchwarzes Flekchen am aͤuſſerſten Horizont er-
blikten.
Frizchen. Am Horizont? Was iſt das?
Vater. Frizchen, wenn du drauſſen auf dem
freien Felde biſt, komt dir's da nicht vor, als
wenn der Himmel rund umher, wie ein großes
Gewoͤlbe, bis auf die Erde herab gehe?
Frizchen. Ja!
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/171>, abgerufen am 24.11.2024.
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