wie kleinmüthig du da zuweilen wurdest? Und das war doch nur ein kleines vorübergehendes Leiden, welches nur zwei Tage dauerte! Ich weiß, jezt würdest du bei einer ähnlichen Ge- legenheit dich viel standhafter bezeigen: aber ob du auch schon stark genug sein würdest, alles das, was Robinson leiden mußte, mit frommen kindlichem Sin zu ertragen -- was meinst du, Lieber, sol ich daran auch nicht zweifeln? --
Dein Stilschweigen ist die rechte Antwort auf diese Frage. Du kanst es selbst nicht recht wissen, wie du dich in diesem Falle betragen würdest, weil du noch nie darin gewesen bist. Alles also, was wir jezt thun können, ist die- ses, daß wir bei den kleinen unbedeutenden Uebeln, die wir etwa zu erleben Gelegenheit haben mögten, uns gewöhnen, unsere Augen immer auf Gott zu richten und immer gedul- dig, immer getrost zu sein. Dan wird unser Herz von Tage zu Tage stärker werden, auch grössere Leiden zu ertragen, wenn es Gott einst gefallen wird, uns deren aufzulegen.
Der
wie kleinmuͤthig du da zuweilen wurdeſt? Und das war doch nur ein kleines voruͤbergehendes Leiden, welches nur zwei Tage dauerte! Ich weiß, jezt wuͤrdeſt du bei einer aͤhnlichen Ge- legenheit dich viel ſtandhafter bezeigen: aber ob du auch ſchon ſtark genug ſein wuͤrdeſt, alles das, was Robinſon leiden mußte, mit frommen kindlichem Sin zu ertragen — was meinſt du, Lieber, ſol ich daran auch nicht zweifeln? —
Dein Stilſchweigen iſt die rechte Antwort auf dieſe Frage. Du kanſt es ſelbſt nicht recht wiſſen, wie du dich in dieſem Falle betragen wuͤrdeſt, weil du noch nie darin geweſen biſt. Alles alſo, was wir jezt thun koͤnnen, iſt die- ſes, daß wir bei den kleinen unbedeutenden Uebeln, die wir etwa zu erleben Gelegenheit haben moͤgten, uns gewoͤhnen, unſere Augen immer auf Gott zu richten und immer gedul- dig, immer getroſt zu ſein. Dan wird unſer Herz von Tage zu Tage ſtaͤrker werden, auch groͤſſere Leiden zu ertragen, wenn es Gott einſt gefallen wird, uns deren aufzulegen.
Der
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wie kleinmuͤthig du da zuweilen wurdeſt? Und
das war doch nur ein kleines voruͤbergehendes
Leiden, welches nur zwei Tage dauerte! Ich
weiß, jezt wuͤrdeſt du bei einer aͤhnlichen Ge-
legenheit dich viel ſtandhafter bezeigen: aber
ob du auch ſchon ſtark genug ſein wuͤrdeſt,
alles das, was Robinſon leiden mußte, mit
frommen kindlichem Sin zu ertragen — was
meinſt du, Lieber, ſol ich daran auch nicht
zweifeln? —
Dein Stilſchweigen iſt die rechte Antwort
auf dieſe Frage. Du kanſt es ſelbſt nicht recht
wiſſen, wie du dich in dieſem Falle betragen
wuͤrdeſt, weil du noch nie darin geweſen biſt.
Alles alſo, was wir jezt thun koͤnnen, iſt die-
ſes, daß wir bei den kleinen unbedeutenden
Uebeln, die wir etwa zu erleben Gelegenheit
haben moͤgten, uns gewoͤhnen, unſere Augen
immer auf Gott zu richten und immer gedul-
dig, immer getroſt zu ſein. Dan wird unſer
Herz von Tage zu Tage ſtaͤrker werden, auch
groͤſſere Leiden zu ertragen, wenn es Gott einſt
gefallen wird, uns deren aufzulegen.
Der
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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