Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun-
gern lassen!

Zwar Hunger spürte er eben nicht, weil
die Angst und der Schrekken ihm allen Appe-
tit benommen hatten. Aber destomehr sehnte
er sich nach Ruhe. Er war so ermattet von
Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum
mehr auf den Füßen stehen konte.

Allein wo solte er nun die Nacht über
bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him-
mel? Aber da könten wilde Menschen oder
Thiere kommen und ihn auffressen! Ein Haus,
oder eine Hütte, oder eine Höle -- waren
nirgends zu sehen. Er stand lange Zeit ganz
trostlos und wuste nicht, was er thun solte.

Endlich dachte er, er wolte es, wie die
Vögel machen, und sich auf einen Baum se-
zen. Er fand auch bald einen, der so dikke
Aeste hatte, daß er bequem darauf sizen, und
mit den Rükken sich anlegen konte. Auf die-
sen kletterte er hinauf, verrichtete ein andäch-
tiges Gebeth zu Gott, sezte sich dan zurecht,
und schlief augenbliklich ein.

Im

dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun-
gern laſſen!

Zwar Hunger ſpuͤrte er eben nicht, weil
die Angſt und der Schrekken ihm allen Appe-
tit benommen hatten. Aber deſtomehr ſehnte
er ſich nach Ruhe. Er war ſo ermattet von
Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum
mehr auf den Fuͤßen ſtehen konte.

Allein wo ſolte er nun die Nacht uͤber
bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him-
mel? Aber da koͤnten wilde Menſchen oder
Thiere kommen und ihn auffreſſen! Ein Haus,
oder eine Huͤtte, oder eine Hoͤle — waren
nirgends zu ſehen. Er ſtand lange Zeit ganz
troſtlos und wuſte nicht, was er thun ſolte.

Endlich dachte er, er wolte es, wie die
Voͤgel machen, und ſich auf einen Baum ſe-
zen. Er fand auch bald einen, der ſo dikke
Aeſte hatte, daß er bequem darauf ſizen, und
mit den Ruͤkken ſich anlegen konte. Auf die-
ſen kletterte er hinauf, verrichtete ein andaͤch-
tiges Gebeth zu Gott, ſezte ſich dan zurecht,
und ſchlief augenbliklich ein.

Im
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="66"/>
dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun-<lb/>
gern la&#x017F;&#x017F;en!</p><lb/>
          <p>Zwar Hunger &#x017F;pu&#x0364;rte er eben nicht, weil<lb/>
die Ang&#x017F;t und der Schrekken ihm allen Appe-<lb/>
tit benommen hatten. Aber de&#x017F;tomehr &#x017F;ehnte<lb/>
er &#x017F;ich nach Ruhe. Er war &#x017F;o ermattet von<lb/>
Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum<lb/>
mehr auf den Fu&#x0364;ßen &#x017F;tehen konte.</p><lb/>
          <p>Allein wo &#x017F;olte er nun die Nacht u&#x0364;ber<lb/>
bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him-<lb/>
mel? Aber da ko&#x0364;nten wilde Men&#x017F;chen oder<lb/>
Thiere kommen und ihn auffre&#x017F;&#x017F;en! Ein Haus,<lb/>
oder eine Hu&#x0364;tte, oder eine Ho&#x0364;le &#x2014; waren<lb/>
nirgends zu &#x017F;ehen. Er &#x017F;tand lange Zeit ganz<lb/>
tro&#x017F;tlos und wu&#x017F;te nicht, was er thun &#x017F;olte.</p><lb/>
          <p>Endlich dachte er, er wolte es, wie die<lb/>
Vo&#x0364;gel machen, und &#x017F;ich auf einen Baum &#x017F;e-<lb/>
zen. Er fand auch bald einen, der &#x017F;o dikke<lb/>
Ae&#x017F;te hatte, daß er bequem darauf &#x017F;izen, und<lb/>
mit den Ru&#x0364;kken &#x017F;ich anlegen konte. Auf die-<lb/>
&#x017F;en kletterte er hinauf, verrichtete ein anda&#x0364;ch-<lb/>
tiges Gebeth zu Gott, &#x017F;ezte &#x017F;ich dan zurecht,<lb/>
und &#x017F;chlief augenbliklich ein.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Im</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0106] dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun- gern laſſen! Zwar Hunger ſpuͤrte er eben nicht, weil die Angſt und der Schrekken ihm allen Appe- tit benommen hatten. Aber deſtomehr ſehnte er ſich nach Ruhe. Er war ſo ermattet von Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum mehr auf den Fuͤßen ſtehen konte. Allein wo ſolte er nun die Nacht uͤber bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him- mel? Aber da koͤnten wilde Menſchen oder Thiere kommen und ihn auffreſſen! Ein Haus, oder eine Huͤtte, oder eine Hoͤle — waren nirgends zu ſehen. Er ſtand lange Zeit ganz troſtlos und wuſte nicht, was er thun ſolte. Endlich dachte er, er wolte es, wie die Voͤgel machen, und ſich auf einen Baum ſe- zen. Er fand auch bald einen, der ſo dikke Aeſte hatte, daß er bequem darauf ſizen, und mit den Ruͤkken ſich anlegen konte. Auf die- ſen kletterte er hinauf, verrichtete ein andaͤch- tiges Gebeth zu Gott, ſezte ſich dan zurecht, und ſchlief augenbliklich ein. Im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/106
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/106>, abgerufen am 23.11.2024.