ais h c | c d es fes gis a h c | c des es fis gis a b c einreihen mögen?
Welche Reichtümer sich damit für den melodischen und harmonischen Ausdruck dem Ohr öffnen, ist nicht sogleich zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten ist aber zweifellos anzunehmen und auf den ersten Blick erkennbar.
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Tonarten endgültig ausgesprochen und begründet sein. Kaleidoskopi- sches Durcheinanderschütteln von zwölf Halbtönen in der Dreispiegelkammer des Geschmacks, der Empfindung und der Intention: das Wesen der heutigen Harmonie.
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf lange: denn alles verkündet eine Umwälzung und einen nächsten Schritt zu jener "ewigen". Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, daß in ihr die Abstufung der Oktave unendlich ist, und trachten wir, der Unendlichkeit um ein weniges uns zu nähern. Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung. Wer, wie ich es getan, damit, wenn auch bescheiden, ex- perimentierte und - sei es mit der Kehle oder auf einer Geige - zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehen- de Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen übte, der wird zur Einsicht gelangt sein, daß Dritteltöne voll- kommen selbständige Intervalle von ausgeprägtem Cha- rakter sind, mit verstimmten Halbtönen nicht zu verwechseln. Es ist eine verfeinerte Chromatik, die uns vorläufig auf der ganztönigen Skala zu basieren scheint. Führten wir dieselbe unvermittelt ein, so verleugneten wir die Halbtöne, verlören die "kleine Terz" und die "reine Quinte", und dieser
ais h c | c d es fes gis a h c | c des es fis gis a b c einreihen mögen?
Welche Reichtümer sich damit für den melodischen und harmonischen Ausdruck dem Ohr öffnen, ist nicht sogleich zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten ist aber zweifellos anzunehmen und auf den ersten Blick erkennbar.
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Tonarten endgültig ausgesprochen und begründet sein. Kaleidoskopi- sches Durcheinanderschütteln von zwölf Halbtönen in der Dreispiegelkammer des Geschmacks, der Empfindung und der Intention: das Wesen der heutigen Harmonie.
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf lange: denn alles verkündet eine Umwälzung und einen nächsten Schritt zu jener „ewigen“. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, daß in ihr die Abstufung der Oktave unendlich ist, und trachten wir, der Unendlichkeit um ein weniges uns zu nähern. Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung. Wer, wie ich es getan, damit, wenn auch bescheiden, ex- perimentierte und – sei es mit der Kehle oder auf einer Geige – zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehen- de Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen übte, der wird zur Einsicht gelangt sein, daß Dritteltöne voll- kommen selbständige Intervalle von ausgeprägtem Cha- rakter sind, mit verstimmten Halbtönen nicht zu verwechseln. Es ist eine verfeinerte Chromatik, die uns vorläufig auf der ganztönigen Skala zu basieren scheint. Führten wir dieselbe unvermittelt ein, so verleugneten wir die Halbtöne, verlören die „kleine Terz“ und die „reine Quinte“, und dieser
<TEI><text><body><div><p><hirendition="#aq"><pbfacs="#f0042"n="42"/>
ais h c | c d es fes gis a h c | c des es fis gis a b c</hi><lb/>
einreihen mögen?</p><lb/><p>Welche Reichtümer sich damit für den melodischen und<lb/>
harmonischen Ausdruck dem Ohr öffnen, ist nicht sogleich<lb/>
zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten ist aber<lb/>
zweifellos anzunehmen und auf den ersten Blick erkennbar.</p><lb/><p>Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Tonarten<lb/>
endgültig ausgesprochen und begründet sein. Kaleidoskopi-<lb/>
sches Durcheinanderschütteln von zwölf Halbtönen in der<lb/>
Dreispiegelkammer des Geschmacks, der Empfindung und<lb/>
der Intention: das Wesen der heutigen Harmonie.</p><lb/><p>Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf lange:<lb/>
denn alles verkündet eine Umwälzung und einen nächsten<lb/>
Schritt zu jener „ewigen“. Vergegenwärtigen wir uns noch<lb/>
einmal, daß in ihr die Abstufung der Oktave unendlich ist,<lb/>
und trachten wir, der Unendlichkeit um ein weniges uns<lb/>
zu nähern. Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an<lb/>
die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.<lb/>
Wer, wie ich es getan, damit, wenn auch bescheiden, ex-<lb/>
perimentierte und – sei es mit der Kehle oder auf einer<lb/>
Geige – zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehen-<lb/>
de Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen übte,<lb/>
der wird zur Einsicht gelangt sein, daß Dritteltöne voll-<lb/>
kommen selbständige Intervalle von ausgeprägtem Cha-<lb/>
rakter sind, mit verstimmten Halbtönen nicht zu verwechseln.<lb/>
Es ist eine verfeinerte Chromatik, die uns vorläufig auf<lb/>
der ganztönigen Skala zu basieren scheint. Führten wir<lb/>
dieselbe unvermittelt ein, so verleugneten wir die Halbtöne,<lb/>
verlören die „kleine Terz“ und die „reine Quinte“, und dieser<lb/></p></div></body></text></TEI>
[42/0042]
ais h c | c d es fes gis a h c | c des es fis gis a b c
einreihen mögen?
Welche Reichtümer sich damit für den melodischen und
harmonischen Ausdruck dem Ohr öffnen, ist nicht sogleich
zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten ist aber
zweifellos anzunehmen und auf den ersten Blick erkennbar.
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Tonarten
endgültig ausgesprochen und begründet sein. Kaleidoskopi-
sches Durcheinanderschütteln von zwölf Halbtönen in der
Dreispiegelkammer des Geschmacks, der Empfindung und
der Intention: das Wesen der heutigen Harmonie.
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf lange:
denn alles verkündet eine Umwälzung und einen nächsten
Schritt zu jener „ewigen“. Vergegenwärtigen wir uns noch
einmal, daß in ihr die Abstufung der Oktave unendlich ist,
und trachten wir, der Unendlichkeit um ein weniges uns
zu nähern. Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an
die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.
Wer, wie ich es getan, damit, wenn auch bescheiden, ex-
perimentierte und – sei es mit der Kehle oder auf einer
Geige – zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehen-
de Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen übte,
der wird zur Einsicht gelangt sein, daß Dritteltöne voll-
kommen selbständige Intervalle von ausgeprägtem Cha-
rakter sind, mit verstimmten Halbtönen nicht zu verwechseln.
Es ist eine verfeinerte Chromatik, die uns vorläufig auf
der ganztönigen Skala zu basieren scheint. Führten wir
dieselbe unvermittelt ein, so verleugneten wir die Halbtöne,
verlören die „kleine Terz“ und die „reine Quinte“, und dieser
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Christian Schaper, Maximilian Furthmüller, Theresa Menard, Vanda Hehr, Clemens Gubsch, Claudio Fuchs, Jupp Wegner, David Mews, Ullrich Scheideler: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-05-27T13:49:52Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung ins DTA-Basisformat
(2019-05-27T13:49:52Z)
Weitere Informationen:
Textgrundlage von 1906 von Busoni hauptsächlich 1914 überarbeitet. Gedruckt 1916 in Altenburg; erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig als Nr. 202 der Insel-Bücherei.
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916], S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/busoni_entwurf_1916/42>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.