Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916].der Empfindung! Zurückhaltung und Schonung, Aufopfe- Nicht anders in der Kunst, die das Leben widerspiegelt, Worum der Laie, der mediokere Künstler sich mühen, ist Gefühl im großen verwechseln Laie, Halbkünstler, Pu- Demnach unterscheide ich: Gefühl als Geschmack - als Diese sechs führen einen Reigen von so subtiler Anord- Ist der Akkord der beiden Dreiklänge rein gestimmt, dann der Empfindung! Zurückhaltung und Schonung, Aufopfe- Nicht anders in der Kunst, die das Leben widerspiegelt, Worum der Laie, der mediokere Künstler sich mühen, ist Gefühl im großen verwechseln Laie, Halbkünstler, Pu- Demnach unterscheide ich: Gefühl als Geschmack – als Diese sechs führen einen Reigen von so subtiler Anord- Ist der Akkord der beiden Dreiklänge rein gestimmt, dann <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0028" n="28"/> der Empfindung! Zurückhaltung und Schonung, Aufopfe-<lb/> rung, Stärke, Tätigkeit, Geduld, Großmut, Freudigkeit<lb/> und jene allwaltende Intelligenz, von welcher das Gefühl<lb/> recht eigentlich stammt.</p><lb/> <p>Nicht anders in der Kunst, die das Leben widerspiegelt,<lb/> noch ausgesprochener in der Musik, welche die Empfindungen<lb/> des Lebens wiederholt: wozu jedoch – wie ich betone –<lb/> der Geschmack hinzutreten muß und der Stil; der Stil,<lb/> der Kunst vom Leben unterscheidet.</p><lb/> <p>Worum der Laie, der mediokere Künstler sich mühen, ist<lb/> nur das Gefühl im kleinen, im Detail, auf kurze Strecken.</p><lb/> <p>Gefühl im großen verwechseln Laie, Halbkünstler, Pu-<lb/> blikum (und leider auch die Kritik!) mit Mangel an Emp-<lb/> findung, weil sie alle nicht vermögen, größere Strecken als<lb/> Teile eines noch größeren Ganzen zu hören. Also ist Gefühl<lb/> auch Ökonomie.</p><lb/> <p>Demnach unterscheide ich: Gefühl als Geschmack – als<lb/> Stil – als Ökonomie. Jedes ein Ganzes und jedes ein<lb/> Drittel des Ganzen. In ihnen und über ihnen waltet eine<lb/> subjektive Dreieinigkeit: das Temperament, die Intelligenz<lb/> und der Instinkt des Gleichgewichtes.</p><lb/> <p>Diese sechs führen einen Reigen von so subtiler Anord-<lb/> nung der Paarung und der Verschlingung, des Tragens<lb/> und des Getragenwerdens, des Vortretens und Nieder-<lb/> bückens, des Bewegens und Stillstehens, wie kein kunst-<lb/> vollerer erdenkbar ist.</p><lb/> <p>Ist der Akkord der beiden Dreiklänge rein gestimmt, dann<lb/> darf, soll zum Gefühl sich gesellen die Phantasie: Auf jene<lb/> sechs gestützt, wird sie nicht ausarten, und aus dem Vereine<lb/> aller Elemente ersteht die Persönlichkeit. Diese empfängt<lb/> wie eine Linse die Lichteindrücke, wirft sie auf ihre Weise<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
der Empfindung! Zurückhaltung und Schonung, Aufopfe-
rung, Stärke, Tätigkeit, Geduld, Großmut, Freudigkeit
und jene allwaltende Intelligenz, von welcher das Gefühl
recht eigentlich stammt.
Nicht anders in der Kunst, die das Leben widerspiegelt,
noch ausgesprochener in der Musik, welche die Empfindungen
des Lebens wiederholt: wozu jedoch – wie ich betone –
der Geschmack hinzutreten muß und der Stil; der Stil,
der Kunst vom Leben unterscheidet.
Worum der Laie, der mediokere Künstler sich mühen, ist
nur das Gefühl im kleinen, im Detail, auf kurze Strecken.
Gefühl im großen verwechseln Laie, Halbkünstler, Pu-
blikum (und leider auch die Kritik!) mit Mangel an Emp-
findung, weil sie alle nicht vermögen, größere Strecken als
Teile eines noch größeren Ganzen zu hören. Also ist Gefühl
auch Ökonomie.
Demnach unterscheide ich: Gefühl als Geschmack – als
Stil – als Ökonomie. Jedes ein Ganzes und jedes ein
Drittel des Ganzen. In ihnen und über ihnen waltet eine
subjektive Dreieinigkeit: das Temperament, die Intelligenz
und der Instinkt des Gleichgewichtes.
Diese sechs führen einen Reigen von so subtiler Anord-
nung der Paarung und der Verschlingung, des Tragens
und des Getragenwerdens, des Vortretens und Nieder-
bückens, des Bewegens und Stillstehens, wie kein kunst-
vollerer erdenkbar ist.
Ist der Akkord der beiden Dreiklänge rein gestimmt, dann
darf, soll zum Gefühl sich gesellen die Phantasie: Auf jene
sechs gestützt, wird sie nicht ausarten, und aus dem Vereine
aller Elemente ersteht die Persönlichkeit. Diese empfängt
wie eine Linse die Lichteindrücke, wirft sie auf ihre Weise
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Zitationshilfe: | Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916], S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/busoni_entwurf_1916/28>, abgerufen am 16.02.2025. |