Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor- gesetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er starb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits- beschwerde des wegen fahrlässiger Tödtung verurtheilten An- geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin zurückgewiesen. Denn, wenn es selbstverständlich auch dem G. freistand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er sich bei einiger Aufmerksamkeit sagen mußte, daß sie mit Gefahr für sein Leben verbunden sei, so erwuchs doch hieraus nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrlässig- keit gegen dessen Leben. Nach dieser Ansicht, meint nun v. B., müsse auch der Besitzer eines feurigen Reitpferdes bestraft werden, wenn er nicht Veranstaltungen treffe, daß unberufene Personen sich nicht einmal darauf setzen und so den Hals brechen. Ebenso derjenige, welcher einen Andern zum Genusse schwer verdaulicher Speisen und Getränke auffordere, für den hierdurch herbeigeführten Tod u. s. w. Diese Einwendung erscheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Wesen der Fahrlässigkeit ganz unberücksichtigt gelassen wird. Sicherlich haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von seinem ungeschickten Schüler besteigen läßt, sowie der Arzt, welcher gestattet, daß seine Patienten schwer verdauliche Speisen genießen, hätten sie auch selbst bei einiger Aufmerksamkeit das Nachtheilige dieses Genusses erkennen müssen. Es ist aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beispielen Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine Fahrlässigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden voraussehbar gewesen war, daß er durch seine Handlung mit einiger Wahr- scheinlichkeit einen concreten strafrechtlichen Erfolg herbei- führen werde, und ein Willenszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg bestand.
Endlich sucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß
Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor- geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits- beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An- geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig- keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr- ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei- führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg beſtand.
Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0078"n="74"/>
Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor-<lb/>
geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er<lb/>ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits-<lb/>
beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An-<lb/>
geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin<lb/>
zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem<lb/>
G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er<lb/>ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit<lb/>
Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus<lb/>
nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig-<lb/>
keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun<lb/>
v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft<lb/>
werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene<lb/>
Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals<lb/>
brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe<lb/>ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den<lb/>
hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung<lb/>
erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der<lb/>
Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich<lb/>
haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem<lb/>
ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher<lb/>
geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen<lb/>
genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit<lb/>
das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt<lb/>
aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen<lb/>
Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine<lb/>
Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar<lb/>
geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr-<lb/>ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei-<lb/>
führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen<lb/>
Handlung und Erfolg beſtand.</p><lb/><p>Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0078]
Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor-
geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er
ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits-
beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An-
geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin
zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem
G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er
ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit
Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus
nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig-
keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun
v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft
werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene
Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals
brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe
ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den
hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung
erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der
Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich
haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem
ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher
geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen
genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit
das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt
aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen
Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine
Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar
geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei-
führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen
Handlung und Erfolg beſtand.
Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/78>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.