gehabt haben, beziehungsweise die bereits abgeurtheilte Rechts- verletzung mit der leichtesten Strafe bedroht gewesen sein. -- Ganz richtig dürfte aber auch §. 79 des Strafgesetzbuches nicht sein, welcher in Betreff der realen Concurrenz vorschreibt, daß die hierfür in §. 74 getroffenen Bestimmungen so lange in Anwendung gebracht werden sollen, als nicht eine bereits erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Denn, da der Grund, auf welchem die Vorschrift des §. 74 basirt, ein materieller ist (s. u.), welcher durch eine Strafverbüßung, Verjährung, Straferlaß nicht beseitigt wird, so muß derselbe hierdurch auch unbehelligt bleiben, und es können daher die vor der Verurtheilung noch weiter begangenen erst nach- träglich zur Verantwortung gezogenen Rechtsverletzungen keine andere Strafe erleiden, als ihnen auch ohne die in der Mitte liegende Strafverbüßung u. s. w. zuerkannt worden sein würde. -- Zu der realen Concurrenz wird aber ferner- hin auch das s. g. fortgesetzte Verbrechen zu rechnen sein. Daß auch diese Erscheinungsform des Verbrechens zu den rechtlichen Unmöglichkeiten gehört, und nur zur Ausgleichung der seitherigen unrichtigen Bestimmungen über Concurrenz ersonnen worden ist, ist bereits in m. cit. Abh. nachzuweisen versucht worden. Es wurde hierbei namentlich darauf hin- gewiesen, daß bei successiv verursachten Rechtsverletzungen der subjective und objective Gehalt der nachfolgenden Rechtsver- letzung sich so sehr vermindern -- freilich unter entsprechenden Verhältnissen aber auch erhöhen -- könne, daß auch die geringste Strafe der isolirt stehenden Einzelnverletzung für sie als zu hoch erscheine; und daß, wenn demgemäß die Gesetz- gebung die Befugniß ertheile, bei der Bestrafung der nach- folgenden Rechtsverletzungen unter das gesetzliche Minimum der isolirt stehenden Einzelnverletzung, nöthigenfalls bis zum Nullpunkt, herunter zu gehen, man seine Zuflucht nicht länger
gehabt haben, beziehungsweiſe die bereits abgeurtheilte Rechts- verletzung mit der leichteſten Strafe bedroht geweſen ſein. — Ganz richtig dürfte aber auch §. 79 des Strafgeſetzbuches nicht ſein, welcher in Betreff der realen Concurrenz vorſchreibt, daß die hierfür in §. 74 getroffenen Beſtimmungen ſo lange in Anwendung gebracht werden ſollen, als nicht eine bereits erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt. Denn, da der Grund, auf welchem die Vorſchrift des §. 74 baſirt, ein materieller iſt (ſ. u.), welcher durch eine Strafverbüßung, Verjährung, Straferlaß nicht beſeitigt wird, ſo muß derſelbe hierdurch auch unbehelligt bleiben, und es können daher die vor der Verurtheilung noch weiter begangenen erſt nach- träglich zur Verantwortung gezogenen Rechtsverletzungen keine andere Strafe erleiden, als ihnen auch ohne die in der Mitte liegende Strafverbüßung u. ſ. w. zuerkannt worden ſein würde. — Zu der realen Concurrenz wird aber ferner- hin auch das ſ. g. fortgeſetzte Verbrechen zu rechnen ſein. Daß auch dieſe Erſcheinungsform des Verbrechens zu den rechtlichen Unmöglichkeiten gehört, und nur zur Ausgleichung der ſeitherigen unrichtigen Beſtimmungen über Concurrenz erſonnen worden iſt, iſt bereits in m. cit. Abh. nachzuweiſen verſucht worden. Es wurde hierbei namentlich darauf hin- gewieſen, daß bei ſucceſſiv verurſachten Rechtsverletzungen der ſubjective und objective Gehalt der nachfolgenden Rechtsver- letzung ſich ſo ſehr vermindern — freilich unter entſprechenden Verhältniſſen aber auch erhöhen — könne, daß auch die geringſte Strafe der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung für ſie als zu hoch erſcheine; und daß, wenn demgemäß die Geſetz- gebung die Befugniß ertheile, bei der Beſtrafung der nach- folgenden Rechtsverletzungen unter das geſetzliche Minimum der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung, nöthigenfalls bis zum Nullpunkt, herunter zu gehen, man ſeine Zuflucht nicht länger
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[54/0058]
gehabt haben, beziehungsweiſe die bereits abgeurtheilte Rechts-
verletzung mit der leichteſten Strafe bedroht geweſen ſein. —
Ganz richtig dürfte aber auch §. 79 des Strafgeſetzbuches nicht
ſein, welcher in Betreff der realen Concurrenz vorſchreibt, daß
die hierfür in §. 74 getroffenen Beſtimmungen ſo lange in
Anwendung gebracht werden ſollen, als nicht eine bereits
erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt. Denn,
da der Grund, auf welchem die Vorſchrift des §. 74 baſirt,
ein materieller iſt (ſ. u.), welcher durch eine Strafverbüßung,
Verjährung, Straferlaß nicht beſeitigt wird, ſo muß derſelbe
hierdurch auch unbehelligt bleiben, und es können daher die
vor der Verurtheilung noch weiter begangenen erſt nach-
träglich zur Verantwortung gezogenen Rechtsverletzungen
keine andere Strafe erleiden, als ihnen auch ohne die in der
Mitte liegende Strafverbüßung u. ſ. w. zuerkannt worden
ſein würde. — Zu der realen Concurrenz wird aber ferner-
hin auch das ſ. g. fortgeſetzte Verbrechen zu rechnen
ſein. Daß auch dieſe Erſcheinungsform des Verbrechens zu den
rechtlichen Unmöglichkeiten gehört, und nur zur Ausgleichung
der ſeitherigen unrichtigen Beſtimmungen über Concurrenz
erſonnen worden iſt, iſt bereits in m. cit. Abh. nachzuweiſen
verſucht worden. Es wurde hierbei namentlich darauf hin-
gewieſen, daß bei ſucceſſiv verurſachten Rechtsverletzungen der
ſubjective und objective Gehalt der nachfolgenden Rechtsver-
letzung ſich ſo ſehr vermindern — freilich unter entſprechenden
Verhältniſſen aber auch erhöhen — könne, daß auch die
geringſte Strafe der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung für ſie
als zu hoch erſcheine; und daß, wenn demgemäß die Geſetz-
gebung die Befugniß ertheile, bei der Beſtrafung der nach-
folgenden Rechtsverletzungen unter das geſetzliche Minimum
der iſolirt ſtehenden Einzelnverletzung, nöthigenfalls bis zum
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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/58>, abgerufen am 23.07.2024.
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