Entschließung genöthigt, ob er, für den Fall er den Hund verfehlen sollte, den Förster tödten wolle oder nicht. Steht ihm nun seine Sicherheit nicht so hoch, daß sie ihm ein Menschenleben werth ist, so wird er die Tödtung des Försters bestimmt von seinem Willen ausschließen, andernfalls aber dieselbe mit seinem Willen umfassen. Dieses eventuelle Wollen kann auch eintreten, wenn es sich darum handelt, ob derselbe Zweck auf eine erlaubte oder unerlaubte Weise werde erreicht werden. Man braucht nur zu unterstellen, der Hund, mit welchem der Förster dem Wilddiebe nachspürt, gehöre letzterem, und man hat hierfür ein geeignetes Beispiel.
Wenn nun hiernach auch eine Verschiedenheit in der Form des eventuellen und alternativen Wollens besteht, so ist doch die strafrechtliche Construction in beiden Fällen die nämliche. Dies zeigt sich namentlich bei der bestrittenen Frage, wie es sich hier mit dem Versuche verhalte. -- Bei dem alternativen wie bei dem eventuellen Wollen soll nach der Absicht des Handelnden nur der eine der beiden Erfolge mit Ausschluß des andern eintreten. Daraus ergibt sich, wie gesagt, daß der Wille des Handelnden -- abgesehen von Fahrlässigkeit -- auch nur in seiner Richtung nach einem Erfolge strafrechtlich in Betracht gezogen werden kann. Aber es ergibt sich nicht daraus, daß die Schuld des Handelnden nur nach demjenigen Erfolge bemessen werden könne, welcher wirklich zur Existenz gelangt ist. Es ist eine ungenaue Aus- drucksweise, wenn gesagt wird, der Handelnde wolle lediglich denjenigen Erfolg, welcher demnächst eintreten werde; und man wäre bei dieser Ansicht rathlos, nach welchem Erfolge die Schuld des Handelnden beurtheilt werden müsse, im Falle beide Erfolge nicht erreicht werden, oder beide eintreten. Es ist vielmehr der Wille des Handelnden zur Zeit der Vornahme seiner Handlung auf jeden der mehreren Erfolge gerichtet,
3*
Entſchließung genöthigt, ob er, für den Fall er den Hund verfehlen ſollte, den Förſter tödten wolle oder nicht. Steht ihm nun ſeine Sicherheit nicht ſo hoch, daß ſie ihm ein Menſchenleben werth iſt, ſo wird er die Tödtung des Förſters beſtimmt von ſeinem Willen ausſchließen, andernfalls aber dieſelbe mit ſeinem Willen umfaſſen. Dieſes eventuelle Wollen kann auch eintreten, wenn es ſich darum handelt, ob derſelbe Zweck auf eine erlaubte oder unerlaubte Weiſe werde erreicht werden. Man braucht nur zu unterſtellen, der Hund, mit welchem der Förſter dem Wilddiebe nachſpürt, gehöre letzterem, und man hat hierfür ein geeignetes Beiſpiel.
Wenn nun hiernach auch eine Verſchiedenheit in der Form des eventuellen und alternativen Wollens beſteht, ſo iſt doch die ſtrafrechtliche Conſtruction in beiden Fällen die nämliche. Dies zeigt ſich namentlich bei der beſtrittenen Frage, wie es ſich hier mit dem Verſuche verhalte. — Bei dem alternativen wie bei dem eventuellen Wollen ſoll nach der Abſicht des Handelnden nur der eine der beiden Erfolge mit Ausſchluß des andern eintreten. Daraus ergibt ſich, wie geſagt, daß der Wille des Handelnden — abgeſehen von Fahrläſſigkeit — auch nur in ſeiner Richtung nach einem Erfolge ſtrafrechtlich in Betracht gezogen werden kann. Aber es ergibt ſich nicht daraus, daß die Schuld des Handelnden nur nach demjenigen Erfolge bemeſſen werden könne, welcher wirklich zur Exiſtenz gelangt iſt. Es iſt eine ungenaue Aus- drucksweiſe, wenn geſagt wird, der Handelnde wolle lediglich denjenigen Erfolg, welcher demnächſt eintreten werde; und man wäre bei dieſer Anſicht rathlos, nach welchem Erfolge die Schuld des Handelnden beurtheilt werden müſſe, im Falle beide Erfolge nicht erreicht werden, oder beide eintreten. Es iſt vielmehr der Wille des Handelnden zur Zeit der Vornahme ſeiner Handlung auf jeden der mehreren Erfolge gerichtet,
3*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0039"n="35"/>
Entſchließung genöthigt, ob er, für den Fall er den Hund<lb/>
verfehlen ſollte, den Förſter tödten wolle oder nicht. Steht<lb/>
ihm nun ſeine Sicherheit nicht ſo hoch, daß ſie ihm ein<lb/>
Menſchenleben werth iſt, ſo wird er die Tödtung des Förſters<lb/>
beſtimmt von ſeinem Willen ausſchließen, andernfalls aber<lb/>
dieſelbe mit ſeinem Willen umfaſſen. Dieſes eventuelle<lb/>
Wollen kann auch eintreten, wenn es ſich darum handelt, ob<lb/>
derſelbe Zweck auf eine erlaubte oder unerlaubte Weiſe werde<lb/>
erreicht werden. Man braucht nur zu unterſtellen, der Hund,<lb/>
mit welchem der Förſter dem Wilddiebe nachſpürt, gehöre<lb/>
letzterem, und man hat hierfür ein geeignetes Beiſpiel.</p><lb/><p>Wenn nun hiernach auch eine Verſchiedenheit in der<lb/>
Form des eventuellen und alternativen Wollens beſteht, ſo<lb/>
iſt doch die ſtrafrechtliche Conſtruction in beiden Fällen die<lb/>
nämliche. Dies zeigt ſich namentlich bei der beſtrittenen<lb/>
Frage, wie es ſich hier mit dem Verſuche verhalte. — Bei<lb/>
dem alternativen wie bei dem eventuellen Wollen ſoll nach<lb/>
der Abſicht des Handelnden nur der eine der beiden Erfolge<lb/>
mit Ausſchluß des andern eintreten. Daraus ergibt ſich, wie<lb/>
geſagt, daß der Wille des Handelnden — abgeſehen von<lb/>
Fahrläſſigkeit — auch nur in ſeiner Richtung nach <hirendition="#g">einem</hi><lb/>
Erfolge ſtrafrechtlich in Betracht gezogen werden kann. Aber<lb/>
es ergibt ſich nicht daraus, daß die Schuld des Handelnden<lb/>
nur nach demjenigen Erfolge bemeſſen werden könne, welcher<lb/>
wirklich zur Exiſtenz gelangt iſt. Es iſt eine ungenaue Aus-<lb/>
drucksweiſe, wenn geſagt wird, der Handelnde wolle lediglich<lb/>
denjenigen Erfolg, welcher demnächſt eintreten werde; und man<lb/>
wäre bei dieſer Anſicht rathlos, nach welchem Erfolge die<lb/>
Schuld des Handelnden beurtheilt werden müſſe, im Falle beide<lb/>
Erfolge nicht erreicht werden, oder beide eintreten. Es iſt<lb/>
vielmehr der Wille des Handelnden zur Zeit der Vornahme<lb/>ſeiner Handlung auf jeden der mehreren Erfolge gerichtet,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0039]
Entſchließung genöthigt, ob er, für den Fall er den Hund
verfehlen ſollte, den Förſter tödten wolle oder nicht. Steht
ihm nun ſeine Sicherheit nicht ſo hoch, daß ſie ihm ein
Menſchenleben werth iſt, ſo wird er die Tödtung des Förſters
beſtimmt von ſeinem Willen ausſchließen, andernfalls aber
dieſelbe mit ſeinem Willen umfaſſen. Dieſes eventuelle
Wollen kann auch eintreten, wenn es ſich darum handelt, ob
derſelbe Zweck auf eine erlaubte oder unerlaubte Weiſe werde
erreicht werden. Man braucht nur zu unterſtellen, der Hund,
mit welchem der Förſter dem Wilddiebe nachſpürt, gehöre
letzterem, und man hat hierfür ein geeignetes Beiſpiel.
Wenn nun hiernach auch eine Verſchiedenheit in der
Form des eventuellen und alternativen Wollens beſteht, ſo
iſt doch die ſtrafrechtliche Conſtruction in beiden Fällen die
nämliche. Dies zeigt ſich namentlich bei der beſtrittenen
Frage, wie es ſich hier mit dem Verſuche verhalte. — Bei
dem alternativen wie bei dem eventuellen Wollen ſoll nach
der Abſicht des Handelnden nur der eine der beiden Erfolge
mit Ausſchluß des andern eintreten. Daraus ergibt ſich, wie
geſagt, daß der Wille des Handelnden — abgeſehen von
Fahrläſſigkeit — auch nur in ſeiner Richtung nach einem
Erfolge ſtrafrechtlich in Betracht gezogen werden kann. Aber
es ergibt ſich nicht daraus, daß die Schuld des Handelnden
nur nach demjenigen Erfolge bemeſſen werden könne, welcher
wirklich zur Exiſtenz gelangt iſt. Es iſt eine ungenaue Aus-
drucksweiſe, wenn geſagt wird, der Handelnde wolle lediglich
denjenigen Erfolg, welcher demnächſt eintreten werde; und man
wäre bei dieſer Anſicht rathlos, nach welchem Erfolge die
Schuld des Handelnden beurtheilt werden müſſe, im Falle beide
Erfolge nicht erreicht werden, oder beide eintreten. Es iſt
vielmehr der Wille des Handelnden zur Zeit der Vornahme
ſeiner Handlung auf jeden der mehreren Erfolge gerichtet,
3*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/39>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.