hin von einem verschuldeten Willen durchdrungen und könnte darum auch nicht zugerechnet werden. Die Unterlassung der näheren Prüfung der Verhältnisse wäre bedeutungslos, da sie doch nichts geholfen haben würde.
Das Bewußtsein, daß man durch die Unterlassung der erforderlichen Prüfung der Verhältnisse einen vermeid- baren strafrechtlichen Erfolg herbeiführen könne, bildet das Schuldmoment bei der Fahrlässigkeit. Es ist dieses Bewußt- sein mit der Vornahme jeglicher Handlung nothwendig ver- bunden, so lange man nicht das andere Bewußtsein hat, sich nach allen seinen Kräften überzeugt zu haben, daß ein straf- rechtlicher Erfolg der Handlung mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Ein Jrrthum in dieser Richtung wird kaum vorkommen können, da, so lange auch nur noch ein Zweifel vorliegt, ein solches, das Schuldmoment ausschließende, Bewußtsein nicht aufkommen kann. Jst aber einmal der Handelnde zu dem Bewußtsein der Ungefährlichkeit seiner Handlung gekommen, so braucht er dann auch den dennoch durch diese Handlung etwa verursachten Erfolg als einen fahrlässigen nicht zu vertreten, sollte selbst diese Ueberzeugung auf einem unentschuldbaren Jrrthum beruhen. Denn ein Wille kann nicht verschuldet sein, wenn ein Bewußtsein dieses Ver- schuldetseins in dem Handelnden nicht existirt. Zur Be- gründung einer Strafbarkeit für Fahrlässigkeit genügt es darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältnissen eine größere Aufmerksamkeit auf seine Handlung von dem Handelnden hätte verlangen können, sondern es ist hierzu erforderlich, daß sich der Handelnde selbst bewußt ist, er handle fahrlässig, habe also nicht das Nöthige gethan, um sich über die mögliche Causalität seiner Handlung aufzuklären. Läßt man sich an dem Gedanken genügen, die Haftbarkeit für Fahrlässigkeit sei begründet, wenn Jemand die gesetzliche
hin von einem verſchuldeten Willen durchdrungen und könnte darum auch nicht zugerechnet werden. Die Unterlaſſung der näheren Prüfung der Verhältniſſe wäre bedeutungslos, da ſie doch nichts geholfen haben würde.
Das Bewußtſein, daß man durch die Unterlaſſung der erforderlichen Prüfung der Verhältniſſe einen vermeid- baren ſtrafrechtlichen Erfolg herbeiführen könne, bildet das Schuldmoment bei der Fahrläſſigkeit. Es iſt dieſes Bewußt- ſein mit der Vornahme jeglicher Handlung nothwendig ver- bunden, ſo lange man nicht das andere Bewußtſein hat, ſich nach allen ſeinen Kräften überzeugt zu haben, daß ein ſtraf- rechtlicher Erfolg der Handlung mit einiger Wahrſcheinlichkeit nicht zu erwarten ſei. Ein Jrrthum in dieſer Richtung wird kaum vorkommen können, da, ſo lange auch nur noch ein Zweifel vorliegt, ein ſolches, das Schuldmoment ausſchließende, Bewußtſein nicht aufkommen kann. Jſt aber einmal der Handelnde zu dem Bewußtſein der Ungefährlichkeit ſeiner Handlung gekommen, ſo braucht er dann auch den dennoch durch dieſe Handlung etwa verurſachten Erfolg als einen fahrläſſigen nicht zu vertreten, ſollte ſelbſt dieſe Ueberzeugung auf einem unentſchuldbaren Jrrthum beruhen. Denn ein Wille kann nicht verſchuldet ſein, wenn ein Bewußtſein dieſes Ver- ſchuldetſeins in dem Handelnden nicht exiſtirt. Zur Be- gründung einer Strafbarkeit für Fahrläſſigkeit genügt es darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältniſſen eine größere Aufmerkſamkeit auf ſeine Handlung von dem Handelnden hätte verlangen können, ſondern es iſt hierzu erforderlich, daß ſich der Handelnde ſelbſt bewußt iſt, er handle fahrläſſig, habe alſo nicht das Nöthige gethan, um ſich über die mögliche Cauſalität ſeiner Handlung aufzuklären. Läßt man ſich an dem Gedanken genügen, die Haftbarkeit für Fahrläſſigkeit ſei begründet, wenn Jemand die geſetzliche
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hin von einem verſchuldeten Willen durchdrungen und könnte
darum auch nicht zugerechnet werden. Die Unterlaſſung
der näheren Prüfung der Verhältniſſe wäre bedeutungslos,
da ſie doch nichts geholfen haben würde.
Das Bewußtſein, daß man durch die Unterlaſſung
der erforderlichen Prüfung der Verhältniſſe einen vermeid-
baren ſtrafrechtlichen Erfolg herbeiführen könne, bildet das
Schuldmoment bei der Fahrläſſigkeit. Es iſt dieſes Bewußt-
ſein mit der Vornahme jeglicher Handlung nothwendig ver-
bunden, ſo lange man nicht das andere Bewußtſein hat, ſich
nach allen ſeinen Kräften überzeugt zu haben, daß ein ſtraf-
rechtlicher Erfolg der Handlung mit einiger Wahrſcheinlichkeit
nicht zu erwarten ſei. Ein Jrrthum in dieſer Richtung wird
kaum vorkommen können, da, ſo lange auch nur noch ein
Zweifel vorliegt, ein ſolches, das Schuldmoment ausſchließende,
Bewußtſein nicht aufkommen kann. Jſt aber einmal der
Handelnde zu dem Bewußtſein der Ungefährlichkeit ſeiner
Handlung gekommen, ſo braucht er dann auch den dennoch
durch dieſe Handlung etwa verurſachten Erfolg als einen
fahrläſſigen nicht zu vertreten, ſollte ſelbſt dieſe Ueberzeugung
auf einem unentſchuldbaren Jrrthum beruhen. Denn ein Wille
kann nicht verſchuldet ſein, wenn ein Bewußtſein dieſes Ver-
ſchuldetſeins in dem Handelnden nicht exiſtirt. Zur Be-
gründung einer Strafbarkeit für Fahrläſſigkeit genügt es
darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältniſſen
eine größere Aufmerkſamkeit auf ſeine Handlung von dem
Handelnden hätte verlangen können, ſondern es iſt hierzu
erforderlich, daß ſich der Handelnde ſelbſt bewußt iſt, er
handle fahrläſſig, habe alſo nicht das Nöthige gethan, um
ſich über die mögliche Cauſalität ſeiner Handlung aufzuklären.
Läßt man ſich an dem Gedanken genügen, die Haftbarkeit für
Fahrläſſigkeit ſei begründet, wenn Jemand die geſetzliche
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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/33>, abgerufen am 28.07.2024.
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