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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Versuche stehen gebliebene Thätigkeit des Urhebers noch keine
Vereinigung mit derjenigen des Gehülfen gefunden, letztere,
da sie dann noch nicht (wozu?) mitgewirkt habe, für straflos
zu halten sei. Versuchte Beihülfe -- aber auch Beihülfe
zum Versuche -- ist allerdings, im Falle man sich, wie
Geyer, an das Wort Beihülfe festhält, undenkbar. Aber
nur darum, weil jede beihelfende Thätigkeit sofort einen
Versuch des Verbrechens darstellt. -- Auffallen muß sonach
die Ansicht G. S. 401, daß durch den Rücktritt des Thäters
vom Versuche die geleistete Beihülfe nicht straflos werde.
Denn wenn der Gehülfe erst durch den Versuch des Thäters
strafbar werden kann, so sollte seine Straflosigkeit selbstver-
ständlich sein, im Falle dieser Versuch durch Rücktritt des
Thäters wieder beseitigt wird. Richtig ist zwar diese Ansicht,
ihre Begründung aber findet sie lediglich in der selbstständigen
Strafbarkeit der beihelfenden Thätigkeit. -- Begeht der Ge-
hülfe die Haupthandlung, ohne sie als solche zu erkennen --
in der irrigen Ueberzeugung, daß zur Herbeiführung des
verursachten Erfolgs noch eine zu der seinigen hinzutretende
urheberische Thätigkeit erforderlich sei so -- kommt hierdurch
sein beihelfender Wille nicht in Wegfall. Er ist vielmehr,
da die objective Beschaffenheit der Handlung nicht relevirt,
als Gehülfe des Versuchs schuldig. Waren aber die ander-
weiten zu der seinigen hinzugetretenen Zwischenursachen
wenn auch nicht erwartet, so doch dem Gehülfen voraus-
sehbar, so liegt sogar vollendete Beihülfe vor. D. h. der
Gehülfe hat den von ihm gewollten Erfolg herbeigeführt und
darum als Gehülfe für Vollendung einzustehen, sollte selbst
der Urheber noch nicht einmal das Gebiet des Versuchs
betreten haben. Hält A dem B die Leiter seiner Ansicht
nach zur Ausführung eines Diebstahls, B will aber einen
Mord begehen, so hat A wegen der selbstständigen Strafbarkeit

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Verſuche ſtehen gebliebene Thätigkeit des Urhebers noch keine
Vereinigung mit derjenigen des Gehülfen gefunden, letztere,
da ſie dann noch nicht (wozu?) mitgewirkt habe, für ſtraflos
zu halten ſei. Verſuchte Beihülfe — aber auch Beihülfe
zum Verſuche — iſt allerdings, im Falle man ſich, wie
Geyer, an das Wort Beihülfe feſthält, undenkbar. Aber
nur darum, weil jede beihelfende Thätigkeit ſofort einen
Verſuch des Verbrechens darſtellt. — Auffallen muß ſonach
die Anſicht G. S. 401, daß durch den Rücktritt des Thäters
vom Verſuche die geleiſtete Beihülfe nicht ſtraflos werde.
Denn wenn der Gehülfe erſt durch den Verſuch des Thäters
ſtrafbar werden kann, ſo ſollte ſeine Strafloſigkeit ſelbſtver-
ſtändlich ſein, im Falle dieſer Verſuch durch Rücktritt des
Thäters wieder beſeitigt wird. Richtig iſt zwar dieſe Anſicht,
ihre Begründung aber findet ſie lediglich in der ſelbſtſtändigen
Strafbarkeit der beihelfenden Thätigkeit. — Begeht der Ge-
hülfe die Haupthandlung, ohne ſie als ſolche zu erkennen —
in der irrigen Ueberzeugung, daß zur Herbeiführung des
verurſachten Erfolgs noch eine zu der ſeinigen hinzutretende
urheberiſche Thätigkeit erforderlich ſei ſo — kommt hierdurch
ſein beihelfender Wille nicht in Wegfall. Er iſt vielmehr,
da die objective Beſchaffenheit der Handlung nicht relevirt,
als Gehülfe des Verſuchs ſchuldig. Waren aber die ander-
weiten zu der ſeinigen hinzugetretenen Zwiſchenurſachen
wenn auch nicht erwartet, ſo doch dem Gehülfen voraus-
ſehbar, ſo liegt ſogar vollendete Beihülfe vor. D. h. der
Gehülfe hat den von ihm gewollten Erfolg herbeigeführt und
darum als Gehülfe für Vollendung einzuſtehen, ſollte ſelbſt
der Urheber noch nicht einmal das Gebiet des Verſuchs
betreten haben. Hält A dem B die Leiter ſeiner Anſicht
nach zur Ausführung eines Diebſtahls, B will aber einen
Mord begehen, ſo hat A wegen der ſelbſtſtändigen Strafbarkeit

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[129/0133] Verſuche ſtehen gebliebene Thätigkeit des Urhebers noch keine Vereinigung mit derjenigen des Gehülfen gefunden, letztere, da ſie dann noch nicht (wozu?) mitgewirkt habe, für ſtraflos zu halten ſei. Verſuchte Beihülfe — aber auch Beihülfe zum Verſuche — iſt allerdings, im Falle man ſich, wie Geyer, an das Wort Beihülfe feſthält, undenkbar. Aber nur darum, weil jede beihelfende Thätigkeit ſofort einen Verſuch des Verbrechens darſtellt. — Auffallen muß ſonach die Anſicht G. S. 401, daß durch den Rücktritt des Thäters vom Verſuche die geleiſtete Beihülfe nicht ſtraflos werde. Denn wenn der Gehülfe erſt durch den Verſuch des Thäters ſtrafbar werden kann, ſo ſollte ſeine Strafloſigkeit ſelbſtver- ſtändlich ſein, im Falle dieſer Verſuch durch Rücktritt des Thäters wieder beſeitigt wird. Richtig iſt zwar dieſe Anſicht, ihre Begründung aber findet ſie lediglich in der ſelbſtſtändigen Strafbarkeit der beihelfenden Thätigkeit. — Begeht der Ge- hülfe die Haupthandlung, ohne ſie als ſolche zu erkennen — in der irrigen Ueberzeugung, daß zur Herbeiführung des verurſachten Erfolgs noch eine zu der ſeinigen hinzutretende urheberiſche Thätigkeit erforderlich ſei ſo — kommt hierdurch ſein beihelfender Wille nicht in Wegfall. Er iſt vielmehr, da die objective Beſchaffenheit der Handlung nicht relevirt, als Gehülfe des Verſuchs ſchuldig. Waren aber die ander- weiten zu der ſeinigen hinzugetretenen Zwiſchenurſachen wenn auch nicht erwartet, ſo doch dem Gehülfen voraus- ſehbar, ſo liegt ſogar vollendete Beihülfe vor. D. h. der Gehülfe hat den von ihm gewollten Erfolg herbeigeführt und darum als Gehülfe für Vollendung einzuſtehen, ſollte ſelbſt der Urheber noch nicht einmal das Gebiet des Verſuchs betreten haben. Hält A dem B die Leiter ſeiner Anſicht nach zur Ausführung eines Diebſtahls, B will aber einen Mord begehen, ſo hat A wegen der ſelbſtſtändigen Strafbarkeit 9

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/133>, abgerufen am 24.11.2024.