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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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nicht bewirken können, weil dem Gesetze zu solchem Ende auch von den Lehren der Sittlichkeit die erforderliche Hülfe geleistet werden muß.

"Die Sitten," sagt Herr Michel Levy in seinem Buche über die Gesundheitslehre, "müssen eine Aenderung erleiden. Dieselben sind ihrem Wesen nach gemischt, denn sie entspringen aus materiellen Bedürfnissen und aus der den geistigen Fähigkeiten ertheilten Leitung. Man findet diese beiden Ursachen in der Trunksucht der niedrigen Volksclassen: was suchen diese bei dem Branntweinschenken? - eine Aufregung, welche ihre Kräfte weckt oder aufrecht hält; einen Genuß, der sie die Arbeitsbeschwerden der verflossenen und der kommenden Woche vergessen läßt; eine Art von Hirnreizung, welche allein zu ihrer Unwissenheit in einer gewissen Beziehung steht. Man lasse jedoch die Nahrung des Volkes auch in einer etwas größeren Portion Fleisch und Gewürze bestehen, man setze die Eingangsabgaben, welche die gesunden und natürlichen Getränke dem Genußbereiche desselben entziehen, herab, und es wird dann weniger das Bedürfniß des unregelmäßigen Reizmittels, das es in den Wirthshäusern sucht, empfinden; man rede übrigens auch zu seinem Gemüthe, zu seinem Verstande, man helfe der dunkeln Unthätigkeit seines Gehirnes durch die Erziehung, deren es fähig ist und die es zu würdigen vermag, ab; man weihe es durch den Unterricht in feinere Genüsse ein; man bewirke, daß es dem folgenden Tage ohne Bangen entgegensehen könne, und daß seine Stirn nicht von eben so vielen Sorgen gerunzelt sei, als es im Schweiße seines Angesichts das Leben genießt, und die Trunksucht wird nur noch ausnahmsweise das Laster der bisher unverbesserlichen Classen sein."

Das nun ist es eben, worauf der herrschende Geist des Jahrhunderts und der Regierungen mit so vielem Eifer hinarbeitet; wohin alle die moralischen Einflüsse gerichtet sind, als Strahlen eben so vieler leuchtender Sonnen, wie sie in den sogenannten Sparcassen,

nicht bewirken können, weil dem Gesetze zu solchem Ende auch von den Lehren der Sittlichkeit die erforderliche Hülfe geleistet werden muß.

„Die Sitten,“ sagt Herr Michel Levy in seinem Buche über die Gesundheitslehre, „müssen eine Aenderung erleiden. Dieselben sind ihrem Wesen nach gemischt, denn sie entspringen aus materiellen Bedürfnissen und aus der den geistigen Fähigkeiten ertheilten Leitung. Man findet diese beiden Ursachen in der Trunksucht der niedrigen Volksclassen: was suchen diese bei dem Branntweinschenken? – eine Aufregung, welche ihre Kräfte weckt oder aufrecht hält; einen Genuß, der sie die Arbeitsbeschwerden der verflossenen und der kommenden Woche vergessen läßt; eine Art von Hirnreizung, welche allein zu ihrer Unwissenheit in einer gewissen Beziehung steht. Man lasse jedoch die Nahrung des Volkes auch in einer etwas größeren Portion Fleisch und Gewürze bestehen, man setze die Eingangsabgaben, welche die gesunden und natürlichen Getränke dem Genußbereiche desselben entziehen, herab, und es wird dann weniger das Bedürfniß des unregelmäßigen Reizmittels, das es in den Wirthshäusern sucht, empfinden; man rede übrigens auch zu seinem Gemüthe, zu seinem Verstande, man helfe der dunkeln Unthätigkeit seines Gehirnes durch die Erziehung, deren es fähig ist und die es zu würdigen vermag, ab; man weihe es durch den Unterricht in feinere Genüsse ein; man bewirke, daß es dem folgenden Tage ohne Bangen entgegensehen könne, und daß seine Stirn nicht von eben so vielen Sorgen gerunzelt sei, als es im Schweiße seines Angesichts das Leben genießt, und die Trunksucht wird nur noch ausnahmsweise das Laster der bisher unverbesserlichen Classen sein.“

Das nun ist es eben, worauf der herrschende Geist des Jahrhunderts und der Regierungen mit so vielem Eifer hinarbeitet; wohin alle die moralischen Einflüsse gerichtet sind, als Strahlen eben so vieler leuchtender Sonnen, wie sie in den sogenannten Sparcassen,

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[68/0078] nicht bewirken können, weil dem Gesetze zu solchem Ende auch von den Lehren der Sittlichkeit die erforderliche Hülfe geleistet werden muß. „Die Sitten,“ sagt Herr Michel Levy in seinem Buche über die Gesundheitslehre, „müssen eine Aenderung erleiden. Dieselben sind ihrem Wesen nach gemischt, denn sie entspringen aus materiellen Bedürfnissen und aus der den geistigen Fähigkeiten ertheilten Leitung. Man findet diese beiden Ursachen in der Trunksucht der niedrigen Volksclassen: was suchen diese bei dem Branntweinschenken? – eine Aufregung, welche ihre Kräfte weckt oder aufrecht hält; einen Genuß, der sie die Arbeitsbeschwerden der verflossenen und der kommenden Woche vergessen läßt; eine Art von Hirnreizung, welche allein zu ihrer Unwissenheit in einer gewissen Beziehung steht. Man lasse jedoch die Nahrung des Volkes auch in einer etwas größeren Portion Fleisch und Gewürze bestehen, man setze die Eingangsabgaben, welche die gesunden und natürlichen Getränke dem Genußbereiche desselben entziehen, herab, und es wird dann weniger das Bedürfniß des unregelmäßigen Reizmittels, das es in den Wirthshäusern sucht, empfinden; man rede übrigens auch zu seinem Gemüthe, zu seinem Verstande, man helfe der dunkeln Unthätigkeit seines Gehirnes durch die Erziehung, deren es fähig ist und die es zu würdigen vermag, ab; man weihe es durch den Unterricht in feinere Genüsse ein; man bewirke, daß es dem folgenden Tage ohne Bangen entgegensehen könne, und daß seine Stirn nicht von eben so vielen Sorgen gerunzelt sei, als es im Schweiße seines Angesichts das Leben genießt, und die Trunksucht wird nur noch ausnahmsweise das Laster der bisher unverbesserlichen Classen sein.“ Das nun ist es eben, worauf der herrschende Geist des Jahrhunderts und der Regierungen mit so vielem Eifer hinarbeitet; wohin alle die moralischen Einflüsse gerichtet sind, als Strahlen eben so vieler leuchtender Sonnen, wie sie in den sogenannten Sparcassen,

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/78>, abgerufen am 26.11.2024.