Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Theil.
Erstes Kapitel.
Bedürfniß einer Heilkunst
.


§ 23.

Die Nothwendigkeit der Kunst, Krankheiten zu heilen,
beruht auf der unausbleiblichen Erscheinung der Krankheiten;
können nämlich diese, vermöge der ganzen Einrichtung der
menschlichen Natur, niemals ganz vermieden werden: so
bedarf der Mensch jener Kunst. Es fließen daher die Unter-
suchungen über beyde Gegenstände hier zusammen.

§ 24.

Unter Leben verstehen wir die Reihe von Erscheinun-
gen an einem von seiner Entstehung an, aus mannichfalti-
gen, vermöge ihrer Zusammensetzung harmonirenden Thei-
len bestehenden, und seinen Zweck in sich selbst findenden
(also organischen) Körper, welche, da sie von den Erschei-
nungen der übrigen Natur abweichen, auch auf eigenthüm-
lichen, ihnen zu Grunde liegenden Kräften beruhen müssen,
die wir den Grund des Lebens, Lebensprincip, Lebens-
kräfte nennen. Wir haben von dem Leben keinen andern,
als durch die Erfahrung gegebenen Begriff; es ist also für
uns kein innerer Zustand, sondern eine Erscheinung.

§ 25.

Menschliches Leben ist die Reihe von Erscheinungen,
welche dem Menschen, seinen sämmtlichen Anlagen gemäß,
zukommen, und zwar 1) als einem Körper überhaupt, 2)
als einem organischen, d. h. durch sich selbst bestimmten,
3) als einem thierischen, d. h. des Eindrucks der Außen-
welt fähigen, und sich dem zufolge nach Willkühr bestimmen-
den, und 4) als geistigem, d. h. der innern Anschauung

fähigen
Erſter Theil.
Erſtes Kapitel.
Beduͤrfniß einer Heilkunſt
.


§ 23.

Die Nothwendigkeit der Kunſt, Krankheiten zu heilen,
beruht auf der unausbleiblichen Erſcheinung der Krankheiten;
koͤnnen naͤmlich dieſe, vermoͤge der ganzen Einrichtung der
menſchlichen Natur, niemals ganz vermieden werden: ſo
bedarf der Menſch jener Kunſt. Es fließen daher die Unter-
ſuchungen uͤber beyde Gegenſtaͤnde hier zuſammen.

§ 24.

Unter Leben verſtehen wir die Reihe von Erſcheinun-
gen an einem von ſeiner Entſtehung an, aus mannichfalti-
gen, vermoͤge ihrer Zuſammenſetzung harmonirenden Thei-
len beſtehenden, und ſeinen Zweck in ſich ſelbſt findenden
(alſo organiſchen) Koͤrper, welche, da ſie von den Erſchei-
nungen der uͤbrigen Natur abweichen, auch auf eigenthuͤm-
lichen, ihnen zu Grunde liegenden Kraͤften beruhen muͤſſen,
die wir den Grund des Lebens, Lebensprincip, Lebens-
kraͤfte nennen. Wir haben von dem Leben keinen andern,
als durch die Erfahrung gegebenen Begriff; es iſt alſo fuͤr
uns kein innerer Zuſtand, ſondern eine Erſcheinung.

§ 25.

Menſchliches Leben iſt die Reihe von Erſcheinungen,
welche dem Menſchen, ſeinen ſaͤmmtlichen Anlagen gemaͤß,
zukommen, und zwar 1) als einem Koͤrper uͤberhaupt, 2)
als einem organiſchen, d. h. durch ſich ſelbſt beſtimmten,
3) als einem thieriſchen, d. h. des Eindrucks der Außen-
welt faͤhigen, und ſich dem zufolge nach Willkuͤhr beſtimmen-
den, und 4) als geiſtigem, d. h. der innern Anſchauung

faͤhigen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0028" n="10"/>
          <fw place="top" type="header">Er&#x017F;ter Theil.</fw><lb/>
          <div n="4">
            <head><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Kapitel.<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß einer Heilkun&#x017F;t</hi>.</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="5">
              <head>§ 23.</head><lb/>
              <p>Die Nothwendigkeit der Kun&#x017F;t, Krankheiten zu heilen,<lb/>
beruht auf der unausbleiblichen Er&#x017F;cheinung der Krankheiten;<lb/>
ko&#x0364;nnen na&#x0364;mlich die&#x017F;e, vermo&#x0364;ge der ganzen Einrichtung der<lb/><choice><sic>men&#x017F;chichen</sic><corr>men&#x017F;chlichen</corr></choice> Natur, niemals ganz vermieden werden: &#x017F;o<lb/>
bedarf der Men&#x017F;ch jener Kun&#x017F;t. Es fließen daher die Unter-<lb/>
&#x017F;uchungen u&#x0364;ber beyde Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde hier zu&#x017F;ammen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 24.</head><lb/>
              <p>Unter <hi rendition="#g">Leben</hi> ver&#x017F;tehen wir die Reihe von Er&#x017F;cheinun-<lb/>
gen an einem von &#x017F;einer Ent&#x017F;tehung an, aus mannichfalti-<lb/>
gen, vermo&#x0364;ge ihrer Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung harmonirenden Thei-<lb/>
len be&#x017F;tehenden, und &#x017F;einen Zweck in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t findenden<lb/>
(al&#x017F;o organi&#x017F;chen) Ko&#x0364;rper, welche, da &#x017F;ie von den Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen der u&#x0364;brigen Natur abweichen, auch auf eigenthu&#x0364;m-<lb/>
lichen, ihnen zu Grunde liegenden Kra&#x0364;ften beruhen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die wir den Grund des Lebens, Lebensprincip, Lebens-<lb/>
kra&#x0364;fte nennen. Wir haben von dem Leben keinen andern,<lb/>
als durch die Erfahrung gegebenen Begriff; es i&#x017F;t al&#x017F;o fu&#x0364;r<lb/>
uns kein innerer Zu&#x017F;tand, &#x017F;ondern eine Er&#x017F;cheinung.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 25.</head><lb/>
              <p>Men&#x017F;chliches Leben i&#x017F;t die Reihe von Er&#x017F;cheinungen,<lb/>
welche dem Men&#x017F;chen, &#x017F;einen &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Anlagen gema&#x0364;ß,<lb/>
zukommen, und zwar 1) als einem Ko&#x0364;rper u&#x0364;berhaupt, 2)<lb/>
als einem organi&#x017F;chen, d. h. durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;timmten,<lb/>
3) als einem thieri&#x017F;chen, d. h. des Eindrucks der Außen-<lb/>
welt fa&#x0364;higen, und &#x017F;ich dem zufolge nach Willku&#x0364;hr be&#x017F;timmen-<lb/>
den, und 4) als gei&#x017F;tigem, d. h. der innern An&#x017F;chauung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fa&#x0364;higen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0028] Erſter Theil. Erſtes Kapitel. Beduͤrfniß einer Heilkunſt. § 23. Die Nothwendigkeit der Kunſt, Krankheiten zu heilen, beruht auf der unausbleiblichen Erſcheinung der Krankheiten; koͤnnen naͤmlich dieſe, vermoͤge der ganzen Einrichtung der menſchlichen Natur, niemals ganz vermieden werden: ſo bedarf der Menſch jener Kunſt. Es fließen daher die Unter- ſuchungen uͤber beyde Gegenſtaͤnde hier zuſammen. § 24. Unter Leben verſtehen wir die Reihe von Erſcheinun- gen an einem von ſeiner Entſtehung an, aus mannichfalti- gen, vermoͤge ihrer Zuſammenſetzung harmonirenden Thei- len beſtehenden, und ſeinen Zweck in ſich ſelbſt findenden (alſo organiſchen) Koͤrper, welche, da ſie von den Erſchei- nungen der uͤbrigen Natur abweichen, auch auf eigenthuͤm- lichen, ihnen zu Grunde liegenden Kraͤften beruhen muͤſſen, die wir den Grund des Lebens, Lebensprincip, Lebens- kraͤfte nennen. Wir haben von dem Leben keinen andern, als durch die Erfahrung gegebenen Begriff; es iſt alſo fuͤr uns kein innerer Zuſtand, ſondern eine Erſcheinung. § 25. Menſchliches Leben iſt die Reihe von Erſcheinungen, welche dem Menſchen, ſeinen ſaͤmmtlichen Anlagen gemaͤß, zukommen, und zwar 1) als einem Koͤrper uͤberhaupt, 2) als einem organiſchen, d. h. durch ſich ſelbſt beſtimmten, 3) als einem thieriſchen, d. h. des Eindrucks der Außen- welt faͤhigen, und ſich dem zufolge nach Willkuͤhr beſtimmen- den, und 4) als geiſtigem, d. h. der innern Anſchauung faͤhigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/28
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/28>, abgerufen am 24.11.2024.