Er hat besonders den Vorzug vor dem Privatstudium 1) daß bey dem Vortrage der eigentlich historischen Theile der Heilkunst die Körper selbst vorgezeigt werden, von wel- chen man durch Abbildungen oder Beschreibungen in Büchern, nur unvollständige Begriffe bekömmt, z. B. in der Naturge- schichte, Anatomie, Chemie, Pharmacie. Bey diesen Vor- lesungen also, wo der Vortrag des Lehrers wenig Eigen- thümliches haben kann, sey man besonders darauf bedacht, die Kenntniß jener Körper nach der Beschreibung des Leh- rers seinem Gedächtnisse vollständig einzuprägen. Man muß sich also auf eine jede Vorlesung gehörig vorbereiten, damit die Aufmerksamkeit mehr gespannt wird, und man schon im voraus weiß, worauf man zu sehen hat; und so- dann muß man das Vorgetragene mit Hülfe der besten Schriftsteller, Abbildungen etc. wiederholen. Nachschreiben ist hier meistentheils zwecklos, oft zweckwidrig.
§ 566.
2) Man empfängt bey den eigentlich philosophischen Theilen der Heilkunst, die eigenthümlichen Ideen des Leh- rers, welche man noch in keinen Büchern, oder doch nicht so deutlich entwickelt findet. Man suche hier dem Gedächt- nisse durch Nachschreiben zu Hülfe zu kommen.
§ 567.
3) Man lernt die wissenschaftlichen Gegenstände in einer so freyen Ausführung, und daher mir so viel Deutlichkeit kennen, wie man selten in Schriften findet. Denn diese sind meistentheils entweder so, daß sie noch einer weitläufi- gern mündlichen Entwickelung der einzelnen Sätze bedürfen
(Hand-
Dritter Theil.
§ 565.
Er hat beſonders den Vorzug vor dem Privatſtudium 1) daß bey dem Vortrage der eigentlich hiſtoriſchen Theile der Heilkunſt die Koͤrper ſelbſt vorgezeigt werden, von wel- chen man durch Abbildungen oder Beſchreibungen in Buͤchern, nur unvollſtaͤndige Begriffe bekoͤmmt, z. B. in der Naturge- ſchichte, Anatomie, Chemie, Pharmacie. Bey dieſen Vor- leſungen alſo, wo der Vortrag des Lehrers wenig Eigen- thuͤmliches haben kann, ſey man beſonders darauf bedacht, die Kenntniß jener Koͤrper nach der Beſchreibung des Leh- rers ſeinem Gedaͤchtniſſe vollſtaͤndig einzupraͤgen. Man muß ſich alſo auf eine jede Vorleſung gehoͤrig vorbereiten, damit die Aufmerkſamkeit mehr geſpannt wird, und man ſchon im voraus weiß, worauf man zu ſehen hat; und ſo- dann muß man das Vorgetragene mit Huͤlfe der beſten Schriftſteller, Abbildungen ꝛc. wiederholen. Nachſchreiben iſt hier meiſtentheils zwecklos, oft zweckwidrig.
§ 566.
2) Man empfaͤngt bey den eigentlich philoſophiſchen Theilen der Heilkunſt, die eigenthuͤmlichen Ideen des Leh- rers, welche man noch in keinen Buͤchern, oder doch nicht ſo deutlich entwickelt findet. Man ſuche hier dem Gedaͤcht- niſſe durch Nachſchreiben zu Huͤlfe zu kommen.
§ 567.
3) Man lernt die wiſſenſchaftlichen Gegenſtaͤnde in einer ſo freyen Ausfuͤhrung, und daher mir ſo viel Deutlichkeit kennen, wie man ſelten in Schriften findet. Denn dieſe ſind meiſtentheils entweder ſo, daß ſie noch einer weitlaͤufi- gern muͤndlichen Entwickelung der einzelnen Saͤtze beduͤrfen
(Hand-
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Dritter Theil.
§ 565.
Er hat beſonders den Vorzug vor dem Privatſtudium
1) daß bey dem Vortrage der eigentlich hiſtoriſchen Theile
der Heilkunſt die Koͤrper ſelbſt vorgezeigt werden, von wel-
chen man durch Abbildungen oder Beſchreibungen in Buͤchern,
nur unvollſtaͤndige Begriffe bekoͤmmt, z. B. in der Naturge-
ſchichte, Anatomie, Chemie, Pharmacie. Bey dieſen Vor-
leſungen alſo, wo der Vortrag des Lehrers wenig Eigen-
thuͤmliches haben kann, ſey man beſonders darauf bedacht,
die Kenntniß jener Koͤrper nach der Beſchreibung des Leh-
rers ſeinem Gedaͤchtniſſe vollſtaͤndig einzupraͤgen. Man
muß ſich alſo auf eine jede Vorleſung gehoͤrig vorbereiten,
damit die Aufmerkſamkeit mehr geſpannt wird, und man
ſchon im voraus weiß, worauf man zu ſehen hat; und ſo-
dann muß man das Vorgetragene mit Huͤlfe der beſten
Schriftſteller, Abbildungen ꝛc. wiederholen. Nachſchreiben
iſt hier meiſtentheils zwecklos, oft zweckwidrig.
§ 566.
2) Man empfaͤngt bey den eigentlich philoſophiſchen
Theilen der Heilkunſt, die eigenthuͤmlichen Ideen des Leh-
rers, welche man noch in keinen Buͤchern, oder doch nicht
ſo deutlich entwickelt findet. Man ſuche hier dem Gedaͤcht-
niſſe durch Nachſchreiben zu Huͤlfe zu kommen.
§ 567.
3) Man lernt die wiſſenſchaftlichen Gegenſtaͤnde in einer
ſo freyen Ausfuͤhrung, und daher mir ſo viel Deutlichkeit
kennen, wie man ſelten in Schriften findet. Denn dieſe
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gern muͤndlichen Entwickelung der einzelnen Saͤtze beduͤrfen
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/192>, abgerufen am 17.02.2025.
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