Unter menschlicher Bildung verstehen wir überhaupt die Cultur, welche sich weder allein auf die geistigen, noch al- lein auf die körperlichen Kräfte des Menschen, sondern auf beyde in gleichem Maaße bezieht, und in den Verhältnissen mit andern Menschen, in derselben Rücksicht betrachtet, ihre Anwendung findet.
§ 530.
Der Arzt bedarf derselben, weil jeder Gegenstand seiner Kunst sich auf den Menschen bezieht. Er muß den Zustand desselben erkennen und zweckmäßig abändern können: da nun aber eine untergeordnete Kraft auf eine höhere weder vollständig würken, noch sie zweckmäßig verändern kann: so muß der Arzt auch als Mensch einen hohen Grad der Voll- kommenheit besitzen.
Van Geuns orat. de humanitate virtute medici praestantis- sima. Harderwyck, 790. 4.
§ 531.
Ohne ächte Humanität kann der Arzt nie sein ho- hes Ziel erreichen. Sie erfüllt ihn mit Wohlwollen für das ganze Menschengeschlecht, heißt ihn absehen von den Fehlern des Individuums, und in ihm nur den allgemeinen Charak- ter des Menschen berücksichtigen, wo es darauf ankömmt, ihm zu helfen; dadurch muntert sie ihn auf, die Heilung jedes einzelnen Kranken, so wie die Entdeckung allgemeiner praktischer Regeln mit desto mehr Eifer zu verfolgen.
§ 532.
Dritter Theil.
Dritte Abtheilung. Menſchliche Bildung.
§ 529.
Unter menſchlicher Bildung verſtehen wir uͤberhaupt die Cultur, welche ſich weder allein auf die geiſtigen, noch al- lein auf die koͤrperlichen Kraͤfte des Menſchen, ſondern auf beyde in gleichem Maaße bezieht, und in den Verhaͤltniſſen mit andern Menſchen, in derſelben Ruͤckſicht betrachtet, ihre Anwendung findet.
§ 530.
Der Arzt bedarf derſelben, weil jeder Gegenſtand ſeiner Kunſt ſich auf den Menſchen bezieht. Er muß den Zuſtand deſſelben erkennen und zweckmaͤßig abaͤndern koͤnnen: da nun aber eine untergeordnete Kraft auf eine hoͤhere weder vollſtaͤndig wuͤrken, noch ſie zweckmaͤßig veraͤndern kann: ſo muß der Arzt auch als Menſch einen hohen Grad der Voll- kommenheit beſitzen.
Van Geuns orat. de humanitate virtute medici praeſtantiſ- ſima. Harderwyck, 790. 4.
§ 531.
Ohne aͤchte Humanitaͤt kann der Arzt nie ſein ho- hes Ziel erreichen. Sie erfuͤllt ihn mit Wohlwollen fuͤr das ganze Menſchengeſchlecht, heißt ihn abſehen von den Fehlern des Individuums, und in ihm nur den allgemeinen Charak- ter des Menſchen beruͤckſichtigen, wo es darauf ankoͤmmt, ihm zu helfen; dadurch muntert ſie ihn auf, die Heilung jedes einzelnen Kranken, ſo wie die Entdeckung allgemeiner praktiſcher Regeln mit deſto mehr Eifer zu verfolgen.
§ 532.
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Dritter Theil.
Dritte Abtheilung.
Menſchliche Bildung.
§ 529.
Unter menſchlicher Bildung verſtehen wir uͤberhaupt die
Cultur, welche ſich weder allein auf die geiſtigen, noch al-
lein auf die koͤrperlichen Kraͤfte des Menſchen, ſondern auf
beyde in gleichem Maaße bezieht, und in den Verhaͤltniſſen
mit andern Menſchen, in derſelben Ruͤckſicht betrachtet, ihre
Anwendung findet.
§ 530.
Der Arzt bedarf derſelben, weil jeder Gegenſtand ſeiner
Kunſt ſich auf den Menſchen bezieht. Er muß den Zuſtand
deſſelben erkennen und zweckmaͤßig abaͤndern koͤnnen: da
nun aber eine untergeordnete Kraft auf eine hoͤhere weder
vollſtaͤndig wuͤrken, noch ſie zweckmaͤßig veraͤndern kann:
ſo muß der Arzt auch als Menſch einen hohen Grad der Voll-
kommenheit beſitzen.
Van Geuns orat. de humanitate virtute medici praeſtantiſ-
ſima. Harderwyck, 790. 4.
§ 531.
Ohne aͤchte Humanitaͤt kann der Arzt nie ſein ho-
hes Ziel erreichen. Sie erfuͤllt ihn mit Wohlwollen fuͤr das
ganze Menſchengeſchlecht, heißt ihn abſehen von den Fehlern
des Individuums, und in ihm nur den allgemeinen Charak-
ter des Menſchen beruͤckſichtigen, wo es darauf ankoͤmmt,
ihm zu helfen; dadurch muntert ſie ihn auf, die Heilung
jedes einzelnen Kranken, ſo wie die Entdeckung allgemeiner
praktiſcher Regeln mit deſto mehr Eifer zu verfolgen.
§ 532.
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/180>, abgerufen am 16.02.2025.
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