Geleitsbrief ertheilt; -- ob ich mich aber hierinne irre, darüber wird mich das Urtheil der Kenner belehren.
Die Kritik der Heilkunst fand ich zwar noch nirgends für angehende Aerzte, also kurz, hündig, leicht und auch ohne nähere Sachkenntnisse verständlich, bearbeitet, jedoch hatte ich hier zum Theil Männer, wie Erhard, Nose etc. zu Vorgängern, und es kam darauf an, theils die Resultate dieser Untersuchungen, geordnet, von der Schulsprache soviel, als möglich, entkleidet und popu- larisirt, vorzutragen, theils dieselben zu einem Ganzen zu verknüpfen, in welcher Verbindung sie sich noch nicht vorfinden.
In der Encyklopädie mußte ich mir einen eigenen Weg bahnen, denn die meisten ihrer bisherigen Bearbei- tungen scheinen ihren Zweck nicht vollkommen zu errei- chen, da sie die Organisation der Wissenschaften, d. h. den Einfluß eines jeden Theils auf das Ganze, und des Ganzen auf das Einzelne, zu wenig erläutern. Ich folgte also meinem eigenen Entwurfe, dessen Princip in den Gränzen unsres Erkenntnißvermögens der Natur überhaupt, und der menschlichen Natur insbesondere be- gründet ist.
Eben dadurch habe ich nun die Lehre von der Bil- dung des Arztes vorbereitet; denn das Hauptgeschäft aller Methodologie beruht doch nur darauf, daß sie eine zweckmäßige Ansicht der Wissenschaften, nach ihrem In-
halte,
Vorrede.
Geleitsbrief ertheilt; — ob ich mich aber hierinne irre, daruͤber wird mich das Urtheil der Kenner belehren.
Die Kritik der Heilkunſt fand ich zwar noch nirgends fuͤr angehende Aerzte, alſo kurz, huͤndig, leicht und auch ohne naͤhere Sachkenntniſſe verſtaͤndlich, bearbeitet, jedoch hatte ich hier zum Theil Maͤnner, wie Erhard, Noſe ꝛc. zu Vorgaͤngern, und es kam darauf an, theils die Reſultate dieſer Unterſuchungen, geordnet, von der Schulſprache ſoviel, als moͤglich, entkleidet und popu- lariſirt, vorzutragen, theils dieſelben zu einem Ganzen zu verknuͤpfen, in welcher Verbindung ſie ſich noch nicht vorfinden.
In der Encyklopaͤdie mußte ich mir einen eigenen Weg bahnen, denn die meiſten ihrer bisherigen Bearbei- tungen ſcheinen ihren Zweck nicht vollkommen zu errei- chen, da ſie die Organiſation der Wiſſenſchaften, d. h. den Einfluß eines jeden Theils auf das Ganze, und des Ganzen auf das Einzelne, zu wenig erlaͤutern. Ich folgte alſo meinem eigenen Entwurfe, deſſen Princip in den Graͤnzen unſres Erkenntnißvermoͤgens der Natur uͤberhaupt, und der menſchlichen Natur insbeſondere be- gruͤndet iſt.
Eben dadurch habe ich nun die Lehre von der Bil- dung des Arztes vorbereitet; denn das Hauptgeſchaͤft aller Methodologie beruht doch nur darauf, daß ſie eine zweckmaͤßige Anſicht der Wiſſenſchaften, nach ihrem In-
halte,
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[VI/0012]
Vorrede.
Geleitsbrief ertheilt; — ob ich mich aber hierinne irre,
daruͤber wird mich das Urtheil der Kenner belehren.
Die Kritik der Heilkunſt fand ich zwar noch nirgends
fuͤr angehende Aerzte, alſo kurz, huͤndig, leicht und
auch ohne naͤhere Sachkenntniſſe verſtaͤndlich, bearbeitet,
jedoch hatte ich hier zum Theil Maͤnner, wie Erhard,
Noſe ꝛc. zu Vorgaͤngern, und es kam darauf an, theils
die Reſultate dieſer Unterſuchungen, geordnet, von der
Schulſprache ſoviel, als moͤglich, entkleidet und popu-
lariſirt, vorzutragen, theils dieſelben zu einem Ganzen
zu verknuͤpfen, in welcher Verbindung ſie ſich noch nicht
vorfinden.
In der Encyklopaͤdie mußte ich mir einen eigenen
Weg bahnen, denn die meiſten ihrer bisherigen Bearbei-
tungen ſcheinen ihren Zweck nicht vollkommen zu errei-
chen, da ſie die Organiſation der Wiſſenſchaften, d. h.
den Einfluß eines jeden Theils auf das Ganze, und des
Ganzen auf das Einzelne, zu wenig erlaͤutern. Ich
folgte alſo meinem eigenen Entwurfe, deſſen Princip
in den Graͤnzen unſres Erkenntnißvermoͤgens der Natur
uͤberhaupt, und der menſchlichen Natur insbeſondere be-
gruͤndet iſt.
Eben dadurch habe ich nun die Lehre von der Bil-
dung des Arztes vorbereitet; denn das Hauptgeſchaͤft
aller Methodologie beruht doch nur darauf, daß ſie eine
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/12>, abgerufen am 16.07.2024.
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