Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Abschnitt.Handels (wie es scheint) betrug 10 Mill., welche 4 Mill.
abwarfen. (So heißt es im Text.) Auf 3000 Navigli,
300 Navi und 45 Galere fuhren 17,000, resp. 8000 und
11000 Seeleute. (Ueber 200 M. pr. Galera.) Dazu kamen
16,000 Schiffszimmerleute. Die Häuser von Venedig hatten
7 Mill. Schatzungswerth und trugen an Miethe eine halbe
Million ein 1). Es gab 1000 Adliche von 70 bis 4000
Ducaten Einkommen. -- An einer andern Stelle wird die
ordentliche Staatseinnahme in jenem selben Jahre auf
1,100,000 Ducaten geschätzt; durch die Handelsstörungen
in Folge der Kriege war sie um die Mitte des Jahrhunderts
auf 800,000 Ducaten gefunken 2).

Verspätung der
Renaissance.
Wenn Venedig durch derartige Berechnungen und deren
practische Anwendung eine große Seite des modernen
Staatswesens am frühsten vollkommen darstellte, so stand
es dafür in derjenigen Cultur, welche man damals in
Italien als das Höchste schätzte, einigermaßen zurück. Es
fehlt hier der literarische Trieb im Allgemeinen und ins-
besondere jener Taumel zu Gunsten des classischen Alter-
thums 3). Die Begabung zu Philosophie und Beredsamkeit,
meint Sabellico, sei hier an sich so groß als die zum Handel
und Staatswesen; schon 1459 legte Georg der Trapezuntier
die lateinische Uebersetzung von Plato's Buch über die
Gesetze dem Dogen zu Füßen und wurde mit 150 Ducaten
jährlich als Lehrer der Philologie angestellt, dedicirte auch
der Signorie seine Rhetorik 4). Durchgeht man aber die

1) Hiemit sind doch wohl die sämmtlichen Häuser und nicht bloß die
dem Staat gehörenden gemeint. Letztere rendirten bisweilen aller-
dings enorm; vgl. Vasari, XIII, 83. v. d. Jac. Sansovino.
2) Dieß bei Sanudo, Col. 963. Eine Staatsrechnung von 1490
Col. 1245.
3) Ja diese Abneigung soll in dem Venezianer Paul II. bis zum Haß
ausgebildet gewesen sein, so daß er die Humanisten sämmtlich Ketzer
nannte. Platina, vita Pauli, p. 323.
4) Sanudo, l. c. Col. 1167.

1. Abſchnitt.Handels (wie es ſcheint) betrug 10 Mill., welche 4 Mill.
abwarfen. (So heißt es im Text.) Auf 3000 Navigli,
300 Navi und 45 Galere fuhren 17,000, reſp. 8000 und
11000 Seeleute. (Ueber 200 M. pr. Galera.) Dazu kamen
16,000 Schiffszimmerleute. Die Häuſer von Venedig hatten
7 Mill. Schatzungswerth und trugen an Miethe eine halbe
Million ein 1). Es gab 1000 Adliche von 70 bis 4000
Ducaten Einkommen. — An einer andern Stelle wird die
ordentliche Staatseinnahme in jenem ſelben Jahre auf
1,100,000 Ducaten geſchätzt; durch die Handelsſtörungen
in Folge der Kriege war ſie um die Mitte des Jahrhunderts
auf 800,000 Ducaten gefunken 2).

Verſpätung der
Renaiſſance.
Wenn Venedig durch derartige Berechnungen und deren
practiſche Anwendung eine große Seite des modernen
Staatsweſens am frühſten vollkommen darſtellte, ſo ſtand
es dafür in derjenigen Cultur, welche man damals in
Italien als das Höchſte ſchätzte, einigermaßen zurück. Es
fehlt hier der literariſche Trieb im Allgemeinen und ins-
beſondere jener Taumel zu Gunſten des claſſiſchen Alter-
thums 3). Die Begabung zu Philoſophie und Beredſamkeit,
meint Sabellico, ſei hier an ſich ſo groß als die zum Handel
und Staatsweſen; ſchon 1459 legte Georg der Trapezuntier
die lateiniſche Ueberſetzung von Plato's Buch über die
Geſetze dem Dogen zu Füßen und wurde mit 150 Ducaten
jährlich als Lehrer der Philologie angeſtellt, dedicirte auch
der Signorie ſeine Rhetorik 4). Durchgeht man aber die

1) Hiemit ſind doch wohl die ſämmtlichen Häuſer und nicht bloß die
dem Staat gehörenden gemeint. Letztere rendirten bisweilen aller-
dings enorm; vgl. Vasari, XIII, 83. v. d. Jac. Sansovino.
2) Dieß bei Sanudo, Col. 963. Eine Staatsrechnung von 1490
Col. 1245.
3) Ja dieſe Abneigung ſoll in dem Venezianer Paul II. bis zum Haß
ausgebildet geweſen ſein, ſo daß er die Humaniſten ſämmtlich Ketzer
nannte. Platina, vita Pauli, p. 323.
4) Sanudo, l. c. Col. 1167.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">1. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>Handels (wie es &#x017F;cheint) betrug 10 Mill., welche 4 Mill.<lb/>
abwarfen. (So heißt es im Text.) Auf 3000 Navigli,<lb/>
300 Navi und 45 Galere fuhren 17,000, re&#x017F;p. 8000 und<lb/>
11000 Seeleute. (Ueber 200 M. pr. Galera.) Dazu kamen<lb/>
16,000 Schiffszimmerleute. Die Häu&#x017F;er von Venedig hatten<lb/>
7 Mill. Schatzungswerth und trugen an Miethe eine halbe<lb/>
Million ein <note place="foot" n="1)">Hiemit &#x017F;ind doch wohl die &#x017F;ämmtlichen Häu&#x017F;er und nicht bloß die<lb/>
dem Staat gehörenden gemeint. Letztere rendirten bisweilen aller-<lb/>
dings enorm; vgl. <hi rendition="#aq">Vasari, XIII, 83. v. d. Jac. Sansovino.</hi></note>. Es gab 1000 Adliche von 70 bis 4000<lb/>
Ducaten Einkommen. &#x2014; An einer andern Stelle wird die<lb/>
ordentliche Staatseinnahme in jenem &#x017F;elben Jahre auf<lb/>
1,100,000 Ducaten ge&#x017F;chätzt; durch die Handels&#x017F;törungen<lb/>
in Folge der Kriege war &#x017F;ie um die Mitte des Jahrhunderts<lb/>
auf 800,000 Ducaten gefunken <note place="foot" n="2)">Dieß bei <hi rendition="#aq">Sanudo, Col.</hi> 963. Eine Staatsrechnung von 1490<lb/><hi rendition="#aq">Col.</hi> 1245.</note>.</p><lb/>
        <p><note place="left">Ver&#x017F;pätung der<lb/>
Renai&#x017F;&#x017F;ance.</note>Wenn Venedig durch derartige Berechnungen und deren<lb/>
practi&#x017F;che Anwendung eine große Seite des modernen<lb/>
Staatswe&#x017F;ens am früh&#x017F;ten vollkommen dar&#x017F;tellte, &#x017F;o &#x017F;tand<lb/>
es dafür in derjenigen Cultur, welche man damals in<lb/>
Italien als das Höch&#x017F;te &#x017F;chätzte, einigermaßen zurück. Es<lb/>
fehlt hier der literari&#x017F;che Trieb im Allgemeinen und ins-<lb/>
be&#x017F;ondere jener Taumel zu Gun&#x017F;ten des cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Alter-<lb/>
thums <note place="foot" n="3)">Ja die&#x017F;e Abneigung &#x017F;oll in dem Venezianer Paul <hi rendition="#aq">II.</hi> bis zum Haß<lb/>
ausgebildet gewe&#x017F;en &#x017F;ein, &#x017F;o daß er die Humani&#x017F;ten &#x017F;ämmtlich Ketzer<lb/>
nannte. <hi rendition="#aq">Platina, vita Pauli, p.</hi> 323.</note>. Die Begabung zu Philo&#x017F;ophie und Bered&#x017F;amkeit,<lb/>
meint Sabellico, &#x017F;ei hier an &#x017F;ich &#x017F;o groß als die zum Handel<lb/>
und Staatswe&#x017F;en; &#x017F;chon 1459 legte Georg der Trapezuntier<lb/>
die lateini&#x017F;che Ueber&#x017F;etzung von Plato's Buch über die<lb/>
Ge&#x017F;etze dem Dogen zu Füßen und wurde mit 150 Ducaten<lb/>
jährlich als Lehrer der Philologie ange&#x017F;tellt, dedicirte auch<lb/>
der Signorie &#x017F;eine Rhetorik <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Sanudo, l. c. Col.</hi> 1167.</note>. Durchgeht man aber die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] Handels (wie es ſcheint) betrug 10 Mill., welche 4 Mill. abwarfen. (So heißt es im Text.) Auf 3000 Navigli, 300 Navi und 45 Galere fuhren 17,000, reſp. 8000 und 11000 Seeleute. (Ueber 200 M. pr. Galera.) Dazu kamen 16,000 Schiffszimmerleute. Die Häuſer von Venedig hatten 7 Mill. Schatzungswerth und trugen an Miethe eine halbe Million ein 1). Es gab 1000 Adliche von 70 bis 4000 Ducaten Einkommen. — An einer andern Stelle wird die ordentliche Staatseinnahme in jenem ſelben Jahre auf 1,100,000 Ducaten geſchätzt; durch die Handelsſtörungen in Folge der Kriege war ſie um die Mitte des Jahrhunderts auf 800,000 Ducaten gefunken 2). 1. Abſchnitt. Wenn Venedig durch derartige Berechnungen und deren practiſche Anwendung eine große Seite des modernen Staatsweſens am frühſten vollkommen darſtellte, ſo ſtand es dafür in derjenigen Cultur, welche man damals in Italien als das Höchſte ſchätzte, einigermaßen zurück. Es fehlt hier der literariſche Trieb im Allgemeinen und ins- beſondere jener Taumel zu Gunſten des claſſiſchen Alter- thums 3). Die Begabung zu Philoſophie und Beredſamkeit, meint Sabellico, ſei hier an ſich ſo groß als die zum Handel und Staatsweſen; ſchon 1459 legte Georg der Trapezuntier die lateiniſche Ueberſetzung von Plato's Buch über die Geſetze dem Dogen zu Füßen und wurde mit 150 Ducaten jährlich als Lehrer der Philologie angeſtellt, dedicirte auch der Signorie ſeine Rhetorik 4). Durchgeht man aber die Verſpätung der Renaiſſance. 1) Hiemit ſind doch wohl die ſämmtlichen Häuſer und nicht bloß die dem Staat gehörenden gemeint. Letztere rendirten bisweilen aller- dings enorm; vgl. Vasari, XIII, 83. v. d. Jac. Sansovino. 2) Dieß bei Sanudo, Col. 963. Eine Staatsrechnung von 1490 Col. 1245. 3) Ja dieſe Abneigung ſoll in dem Venezianer Paul II. bis zum Haß ausgebildet geweſen ſein, ſo daß er die Humaniſten ſämmtlich Ketzer nannte. Platina, vita Pauli, p. 323. 4) Sanudo, l. c. Col. 1167.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/82
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/82>, abgerufen am 25.11.2024.