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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.und um möglichst hohen Preis geschlossen. Der Grundton
des venezianischen Gemüthes war daher der einer stolzen,
ja verachtungsvollen Isolirung und folgerichtig einer stär-
kern Solidarität im Innern, wozu der Haß des ganzen
übrigen Italiens noch das Seine that. In der Stadt selbst
hatten dann alle Einwohner die stärksten gemeinschaftlichen
Interessen gegenüber den Colonien sowohl als den Be-
sitzungen der
Terraferma, indem die Bevölkerung der letztern
(d. h. der Städte bis Bergamo) nur in Venedig kaufen
und verkaufen durfte. Ein so künstlicher Vortheil konnte
nur durch Ruhe und Eintracht im Innern aufrecht erhal-
ten werden -- das fühlte gewiß die übergroße Mehrzahl
und für Verschwörer war schon deßhalb hier ein schlechter
Boden. Und wenn es Unzufriedene gab, so wurden sie
durch die Trennung in Adliche und Bürger auf eine Weise
auseinandergehalten die jede Annäherung sehr erschwerte.
Innerhalb des Adels aber war den möglicherweise Gefähr-
lichen, nämlich den Reichen eine Hauptquelle aller Ver-
schwörungen, der Müssiggang, abgeschnitten durch ihre großen
Handelsgeschäfte und Reisen und durch die Theilnahme an
den stets wiederkehrenden Türkenkriegen. Die Commandan-
ten schonten sie dabei, ja bisweilen in strafbarer Weise, und
ein venezianischer Cato weissagte den Untergang der Macht,
wenn diese Scheu der Nobili einander irgend wehe zu thun,
auf Unkosten der Gerechtigkeit fortdauern würde. 1) Immer-
hin aber gab dieser große Verkehr in der freien Luft dem
Adel von Venedig eine gesunde Richtung im Ganzen. Und
Der Rath der
Zehn.
wenn Neid und Ehrgeiz durchaus einmal Genugthuung be-
gehrten, so gab es ein officielles Opfer, eine Behörde und
legale Mittel. Die vieljährige moralische Marter, welcher
der Doge Francesco Foscari (st. 1457) vor den Augen von
ganz Venedig unterlag, ist vielleicht das schrecklichste Bei-
spiel dieser nur in Aristokratien möglichen Rache. Der Rath

1) Chron. Venetum, Mur. XXIV, Col. 105.

1. Abſchnitt.und um möglichſt hohen Preis geſchloſſen. Der Grundton
des venezianiſchen Gemüthes war daher der einer ſtolzen,
ja verachtungsvollen Iſolirung und folgerichtig einer ſtär-
kern Solidarität im Innern, wozu der Haß des ganzen
übrigen Italiens noch das Seine that. In der Stadt ſelbſt
hatten dann alle Einwohner die ſtärkſten gemeinſchaftlichen
Intereſſen gegenüber den Colonien ſowohl als den Be-
ſitzungen der
Terraferma, indem die Bevölkerung der letztern
(d. h. der Städte bis Bergamo) nur in Venedig kaufen
und verkaufen durfte. Ein ſo künſtlicher Vortheil konnte
nur durch Ruhe und Eintracht im Innern aufrecht erhal-
ten werden — das fühlte gewiß die übergroße Mehrzahl
und für Verſchwörer war ſchon deßhalb hier ein ſchlechter
Boden. Und wenn es Unzufriedene gab, ſo wurden ſie
durch die Trennung in Adliche und Bürger auf eine Weiſe
auseinandergehalten die jede Annäherung ſehr erſchwerte.
Innerhalb des Adels aber war den möglicherweiſe Gefähr-
lichen, nämlich den Reichen eine Hauptquelle aller Ver-
ſchwörungen, der Müſſiggang, abgeſchnitten durch ihre großen
Handelsgeſchäfte und Reiſen und durch die Theilnahme an
den ſtets wiederkehrenden Türkenkriegen. Die Commandan-
ten ſchonten ſie dabei, ja bisweilen in ſtrafbarer Weiſe, und
ein venezianiſcher Cato weiſſagte den Untergang der Macht,
wenn dieſe Scheu der Nobili einander irgend wehe zu thun,
auf Unkoſten der Gerechtigkeit fortdauern würde. 1) Immer-
hin aber gab dieſer große Verkehr in der freien Luft dem
Adel von Venedig eine geſunde Richtung im Ganzen. Und
Der Rath der
Zehn.
wenn Neid und Ehrgeiz durchaus einmal Genugthuung be-
gehrten, ſo gab es ein officielles Opfer, eine Behörde und
legale Mittel. Die vieljährige moraliſche Marter, welcher
der Doge Francesco Foscari (ſt. 1457) vor den Augen von
ganz Venedig unterlag, iſt vielleicht das ſchrecklichſte Bei-
ſpiel dieſer nur in Ariſtokratien möglichen Rache. Der Rath

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[66/0076] und um möglichſt hohen Preis geſchloſſen. Der Grundton des venezianiſchen Gemüthes war daher der einer ſtolzen, ja verachtungsvollen Iſolirung und folgerichtig einer ſtär- kern Solidarität im Innern, wozu der Haß des ganzen übrigen Italiens noch das Seine that. In der Stadt ſelbſt hatten dann alle Einwohner die ſtärkſten gemeinſchaftlichen Intereſſen gegenüber den Colonien ſowohl als den Be- ſitzungen der Terraferma, indem die Bevölkerung der letztern (d. h. der Städte bis Bergamo) nur in Venedig kaufen und verkaufen durfte. Ein ſo künſtlicher Vortheil konnte nur durch Ruhe und Eintracht im Innern aufrecht erhal- ten werden — das fühlte gewiß die übergroße Mehrzahl und für Verſchwörer war ſchon deßhalb hier ein ſchlechter Boden. Und wenn es Unzufriedene gab, ſo wurden ſie durch die Trennung in Adliche und Bürger auf eine Weiſe auseinandergehalten die jede Annäherung ſehr erſchwerte. Innerhalb des Adels aber war den möglicherweiſe Gefähr- lichen, nämlich den Reichen eine Hauptquelle aller Ver- ſchwörungen, der Müſſiggang, abgeſchnitten durch ihre großen Handelsgeſchäfte und Reiſen und durch die Theilnahme an den ſtets wiederkehrenden Türkenkriegen. Die Commandan- ten ſchonten ſie dabei, ja bisweilen in ſtrafbarer Weiſe, und ein venezianiſcher Cato weiſſagte den Untergang der Macht, wenn dieſe Scheu der Nobili einander irgend wehe zu thun, auf Unkoſten der Gerechtigkeit fortdauern würde. 1) Immer- hin aber gab dieſer große Verkehr in der freien Luft dem Adel von Venedig eine geſunde Richtung im Ganzen. Und wenn Neid und Ehrgeiz durchaus einmal Genugthuung be- gehrten, ſo gab es ein officielles Opfer, eine Behörde und legale Mittel. Die vieljährige moraliſche Marter, welcher der Doge Francesco Foscari (ſt. 1457) vor den Augen von ganz Venedig unterlag, iſt vielleicht das ſchrecklichſte Bei- ſpiel dieſer nur in Ariſtokratien möglichen Rache. Der Rath 1. Abſchnitt. Der Rath der Zehn. 1) Chron. Venetum, Mur. XXIV, Col. 105.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/76>, abgerufen am 24.11.2024.