diese Gunst rechnen, erzählen uns die Liebesgeschichten der1. Abschnitt. Fürsten zum Theil bei deren Lebzeiten, 1) in einer Weise die spätern Jahrhunderten als der Gipfel aller Indiscretion, damals als harmlose Verbindlichkeit erschien. Ja lyrische Dichter bedichteten die beiläufigen Passionen ihrer hohen, dabei legitim vermählten Herrn, Angelo Poliziano die des Lorenzo magnifico, und mit besonderem Accent Gioviano Pontano die des Alfonso von Calabrien. Das betreffende Gedicht 2) verräth wider Willen die scheußliche Seele des Aragonesen; er muß auch in diesem Gebiete der Glücklichste sein, sonst wehe denen die glücklicher wären! -- Daß die größten Maler, z. B. Lionardo, die Maitressen ihrer Herrn malten, versteht sich von selbst.
Das estensische Fürstenthum wartete aber nicht dieDer Pomp der Este. Verherrlichung durch Andere ab, sondern es verherrlichte sich selbst. Borso ließ sich im Palazzo Schifanoja in einer Reihe von Regentenhandlungen abmalen und Ercole feierte (zuerst 1472) den Jahrestag seines Regierungsantrittes mit einer Procession welche ausdrücklich mit der des Frohn- leichnamsfestes verglichen wird; alle Buden waren geschlossen wie an einem Sonntag; mitten im Zuge marschirten alle vom Haus Este, auch die Bastarde, in Goldstoff. Daß alle Macht und Würde vom Fürsten ausgehe, eine persönliche Auszeichnung von seiner Seite sei, war an diesem Hofe schon längst 3) versinnbildlicht durch einen Orden vom goldenen Sporn, der mit dem mittelalterlichen Ritterthum nichts mehr zu thun hatte. Ercole I. gab zum Sporn noch einen Degen,
1) In den Hecatommithi des Giraldi handeln I, Nov. 8 und VI, Nov. 1, 2, 3, 4 und 10 von Ercole I, Alfonso I, und Ercole II, Alles verfaßt bei Lebzeiten der beiden letztern -- Vieles über fürstliche Zeitgenossen auch im Bandello.
2) U. a. in den Deliciae poetar. italor.
3) Bereits 1367 bei Nicolo dem Aeltern erwähnt, im Polistore, bei Murat. XXIV, Col. 848.
dieſe Gunſt rechnen, erzählen uns die Liebesgeſchichten der1. Abſchnitt. Fürſten zum Theil bei deren Lebzeiten, 1) in einer Weiſe die ſpätern Jahrhunderten als der Gipfel aller Indiscretion, damals als harmloſe Verbindlichkeit erſchien. Ja lyriſche Dichter bedichteten die beiläufigen Paſſionen ihrer hohen, dabei legitim vermählten Herrn, Angelo Poliziano die des Lorenzo magnifico, und mit beſonderem Accent Gioviano Pontano die des Alfonſo von Calabrien. Das betreffende Gedicht 2) verräth wider Willen die ſcheußliche Seele des Aragoneſen; er muß auch in dieſem Gebiete der Glücklichſte ſein, ſonſt wehe denen die glücklicher wären! — Daß die größten Maler, z. B. Lionardo, die Maitreſſen ihrer Herrn malten, verſteht ſich von ſelbſt.
Das eſtenſiſche Fürſtenthum wartete aber nicht dieDer Pomp der Eſte. Verherrlichung durch Andere ab, ſondern es verherrlichte ſich ſelbſt. Borſo ließ ſich im Palazzo Schifanoja in einer Reihe von Regentenhandlungen abmalen und Ercole feierte (zuerſt 1472) den Jahrestag ſeines Regierungsantrittes mit einer Proceſſion welche ausdrücklich mit der des Frohn- leichnamsfeſtes verglichen wird; alle Buden waren geſchloſſen wie an einem Sonntag; mitten im Zuge marſchirten alle vom Haus Eſte, auch die Baſtarde, in Goldſtoff. Daß alle Macht und Würde vom Fürſten ausgehe, eine perſönliche Auszeichnung von ſeiner Seite ſei, war an dieſem Hofe ſchon längſt 3) verſinnbildlicht durch einen Orden vom goldenen Sporn, der mit dem mittelalterlichen Ritterthum nichts mehr zu thun hatte. Ercole I. gab zum Sporn noch einen Degen,
1) In den Hecatommithi des Giraldi handeln I, Nov. 8 und VI, Nov. 1, 2, 3, 4 und 10 von Ercole I, Alfonſo I, und Ercole II, Alles verfaßt bei Lebzeiten der beiden letztern — Vieles über fürſtliche Zeitgenoſſen auch im Bandello.
2) U. a. in den Deliciæ poetar. italor.
3) Bereits 1367 bei Nicolò dem Aeltern erwähnt, im Polistore, bei Murat. XXIV, Col. 848.
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Dichter bedichteten die beiläufigen Paſſionen ihrer hohen,
dabei legitim vermählten Herrn, Angelo Poliziano die des
Lorenzo magnifico, und mit beſonderem Accent Gioviano
Pontano die des Alfonſo von Calabrien. Das betreffende
Gedicht 2) verräth wider Willen die ſcheußliche Seele des
Aragoneſen; er muß auch in dieſem Gebiete der Glücklichſte
ſein, ſonſt wehe denen die glücklicher wären! — Daß die
größten Maler, z. B. Lionardo, die Maitreſſen ihrer Herrn
malten, verſteht ſich von ſelbſt.
1. Abſchnitt.
Das eſtenſiſche Fürſtenthum wartete aber nicht die
Verherrlichung durch Andere ab, ſondern es verherrlichte
ſich ſelbſt. Borſo ließ ſich im Palazzo Schifanoja in einer
Reihe von Regentenhandlungen abmalen und Ercole feierte
(zuerſt 1472) den Jahrestag ſeines Regierungsantrittes mit
einer Proceſſion welche ausdrücklich mit der des Frohn-
leichnamsfeſtes verglichen wird; alle Buden waren geſchloſſen
wie an einem Sonntag; mitten im Zuge marſchirten alle
vom Haus Eſte, auch die Baſtarde, in Goldſtoff. Daß alle
Macht und Würde vom Fürſten ausgehe, eine perſönliche
Auszeichnung von ſeiner Seite ſei, war an dieſem Hofe ſchon
längſt 3) verſinnbildlicht durch einen Orden vom goldenen
Sporn, der mit dem mittelalterlichen Ritterthum nichts mehr
zu thun hatte. Ercole I. gab zum Sporn noch einen Degen,
Der Pomp der
Eſte.
1) In den Hecatommithi des Giraldi handeln I, Nov. 8 und VI, Nov.
1, 2, 3, 4 und 10 von Ercole I, Alfonſo I, und Ercole II, Alles
verfaßt bei Lebzeiten der beiden letztern — Vieles über fürſtliche
Zeitgenoſſen auch im Bandello.
2) U. a. in den Deliciæ poetar. italor.
3) Bereits 1367 bei Nicolò dem Aeltern erwähnt, im Polistore, bei
Murat. XXIV, Col. 848.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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