um Unbescholtenheit, Ehrbarkeit und daß sie eine gute6. Abschnitt. Haushälterin werden möge". Wenn dann noch eine starke Antikisirung im Ausdruck hinzukömmt, so hat man es bis- weilen schwer, den heidnischen Styl und die theistische Ueberzeugung auseinander zu halten 1).
Auch im Unglück äußert sich hie und da diese Gesin- nung mit ergreifender Wahrheit. Es sind aus der spätern Zeit des Firenzuola, da er jahrelang am Fieber krank lag, einige Anreden an Gott vorhanden, in welchen er sich bei- läufig mit Nachdruck als einen gläubigen Christen geltend macht und doch ein rein theistisches Bewußtsein an den Tag legt 2). Er faßt sein Leiden weder als Sündenschuld noch als Prüfung und Vorbereitung auf eine andere Welt; es ist eine Angelegenheit zwischen ihm und Gott allein, der die mächtige Liebe zum Leben zwischen den Menschen und seine Verzweiflung hineingestellt hat. "Ich fluche, doch nur gegen die Natur, denn Deine Größe verbietet mir, Dich selbst zu nennen ... gieb mir den Tod, Herr, ich flehe Dich, gieb mir ihn jetzt!"
Einen augenscheinlichen Beweis für einen ausgebildeten, bewußten Theismus wird man freilich in diesen und ähn-
1) Als Beispiel die kurze Ode des M. Antonio Flaminio aus den Co- ryciana (vgl. S. 265):
Dii quibus tam Corycius venusta Signa, tam dives posuit sacellum, Ulla si vestros animos piorum Gratia tangit, Vos iocos risusque senis faceti Sospites servate diu; senectam Vos date et semper viridem et Falerno Usque madentem. At simul longo satiatus aevo Liquerit terras, dapibus Deorum Laetus intersit, potiore mutans Nectare Bacchum.
2)Firenzuola, opere, vol. IV, p. 147, s.
um Unbeſcholtenheit, Ehrbarkeit und daß ſie eine gute6. Abſchnitt. Haushälterin werden möge“. Wenn dann noch eine ſtarke Antikiſirung im Ausdruck hinzukömmt, ſo hat man es bis- weilen ſchwer, den heidniſchen Styl und die theiſtiſche Ueberzeugung auseinander zu halten 1).
Auch im Unglück äußert ſich hie und da dieſe Geſin- nung mit ergreifender Wahrheit. Es ſind aus der ſpätern Zeit des Firenzuola, da er jahrelang am Fieber krank lag, einige Anreden an Gott vorhanden, in welchen er ſich bei- läufig mit Nachdruck als einen gläubigen Chriſten geltend macht und doch ein rein theiſtiſches Bewußtſein an den Tag legt 2). Er faßt ſein Leiden weder als Sündenſchuld noch als Prüfung und Vorbereitung auf eine andere Welt; es iſt eine Angelegenheit zwiſchen ihm und Gott allein, der die mächtige Liebe zum Leben zwiſchen den Menſchen und ſeine Verzweiflung hineingeſtellt hat. „Ich fluche, doch nur gegen die Natur, denn Deine Größe verbietet mir, Dich ſelbſt zu nennen … gieb mir den Tod, Herr, ich flehe Dich, gieb mir ihn jetzt!“
Einen augenſcheinlichen Beweis für einen ausgebildeten, bewußten Theismus wird man freilich in dieſen und ähn-
1) Als Beiſpiel die kurze Ode des M. Antonio Flaminio aus den Co- ryciana (vgl. S. 265):
Dii quibus tam Corycius venusta Signa, tam dives posuit sacellum, Ulla si vestros animos piorum Gratia tangit, Vos iocos risusque senis faceti Sospites servate diu; senectam Vos date et semper viridem et Falerno Usque madentem. At simul longo satiatus ævo Liquerit terras, dapibus Deorum Lætus intersit, potiore mutans Nectare Bacchum.
2)Firenzuola, opere, vol. IV, p. 147, s.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0569"n="559"/>
um Unbeſcholtenheit, Ehrbarkeit und daß ſie eine gute<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">6. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
Haushälterin werden möge“. Wenn dann noch eine ſtarke<lb/>
Antikiſirung im Ausdruck hinzukömmt, ſo hat man es bis-<lb/>
weilen ſchwer, den heidniſchen Styl und die theiſtiſche<lb/>
Ueberzeugung auseinander zu halten <noteplace="foot"n="1)">Als Beiſpiel die kurze Ode des M. Antonio Flaminio aus den Co-<lb/>
ryciana (vgl. S. 265):<lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq">Dii quibus tam Corycius venusta</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Signa, tam dives posuit sacellum,</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Ulla si vestros animos piorum</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Gratia tangit,</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Vos iocos risusque senis faceti</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Sospites servate diu; senectam</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Vos date et semper viridem et Falerno</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Usque madentem.</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">At simul longo satiatus ævo</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Liquerit terras, dapibus Deorum</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Lætus intersit, potiore mutans</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">Nectare Bacchum.</hi></l></lg></note>.</p><lb/><p>Auch im Unglück äußert ſich hie und da dieſe Geſin-<lb/>
nung mit ergreifender Wahrheit. Es ſind aus der ſpätern<lb/>
Zeit des Firenzuola, da er jahrelang am Fieber krank lag,<lb/>
einige Anreden an Gott vorhanden, in welchen er ſich bei-<lb/>
läufig mit Nachdruck als einen gläubigen Chriſten geltend<lb/>
macht und doch ein rein theiſtiſches Bewußtſein an den<lb/>
Tag legt <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#aq">Firenzuola, opere, vol. IV, p. 147, s.</hi></note>. Er faßt ſein Leiden weder als Sündenſchuld<lb/>
noch als Prüfung und Vorbereitung auf eine andere Welt;<lb/>
es iſt eine Angelegenheit zwiſchen ihm und Gott allein, der<lb/>
die mächtige Liebe zum Leben zwiſchen den Menſchen und<lb/>ſeine Verzweiflung hineingeſtellt hat. „Ich fluche, doch nur<lb/>
gegen die Natur, denn Deine Größe verbietet mir, Dich<lb/>ſelbſt zu nennen … gieb mir den Tod, Herr, ich flehe<lb/>
Dich, gieb mir ihn jetzt!“</p><lb/><p>Einen augenſcheinlichen Beweis für einen ausgebildeten,<lb/>
bewußten Theismus wird man freilich in dieſen und ähn-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[559/0569]
um Unbeſcholtenheit, Ehrbarkeit und daß ſie eine gute
Haushälterin werden möge“. Wenn dann noch eine ſtarke
Antikiſirung im Ausdruck hinzukömmt, ſo hat man es bis-
weilen ſchwer, den heidniſchen Styl und die theiſtiſche
Ueberzeugung auseinander zu halten 1).
6. Abſchnitt.
Auch im Unglück äußert ſich hie und da dieſe Geſin-
nung mit ergreifender Wahrheit. Es ſind aus der ſpätern
Zeit des Firenzuola, da er jahrelang am Fieber krank lag,
einige Anreden an Gott vorhanden, in welchen er ſich bei-
läufig mit Nachdruck als einen gläubigen Chriſten geltend
macht und doch ein rein theiſtiſches Bewußtſein an den
Tag legt 2). Er faßt ſein Leiden weder als Sündenſchuld
noch als Prüfung und Vorbereitung auf eine andere Welt;
es iſt eine Angelegenheit zwiſchen ihm und Gott allein, der
die mächtige Liebe zum Leben zwiſchen den Menſchen und
ſeine Verzweiflung hineingeſtellt hat. „Ich fluche, doch nur
gegen die Natur, denn Deine Größe verbietet mir, Dich
ſelbſt zu nennen … gieb mir den Tod, Herr, ich flehe
Dich, gieb mir ihn jetzt!“
Einen augenſcheinlichen Beweis für einen ausgebildeten,
bewußten Theismus wird man freilich in dieſen und ähn-
1) Als Beiſpiel die kurze Ode des M. Antonio Flaminio aus den Co-
ryciana (vgl. S. 265):
Dii quibus tam Corycius venusta
Signa, tam dives posuit sacellum,
Ulla si vestros animos piorum
Gratia tangit,
Vos iocos risusque senis faceti
Sospites servate diu; senectam
Vos date et semper viridem et Falerno
Usque madentem.
At simul longo satiatus ævo
Liquerit terras, dapibus Deorum
Lætus intersit, potiore mutans
Nectare Bacchum.
2) Firenzuola, opere, vol. IV, p. 147, s.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/569>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.