6. Abschnitt.Sein Reisender Suppatius geräth in ihre Wohnung, wäh- Durchschnittli- cher Character.rend sie gerade einem Mädchen und einer Dienstmagd Audienz giebt, die mit einer schwarzen Henne, neun am Freitag gelegten Eiern, einer Ente und weißem Faden kommen, sintemal der dritte Tag seit Neumond ist; sie werden nun weggeschickt und auf die Dämmerung wieder herbeschieden. Es handelt sich hoffentlich nur um Divina- tion; die Herrin der Dienstmagd ist von einem Mönch geschwängert, dem Mädchen ist sein Liebhaber untreu ge- worden und ins Kloster gegangen. Die Hexe klagt: "Seit meines Mannes Tode lebe ich von diesen Dingen und könnte es bequem haben, da unsere Gaetanerinnen einen ziemlich starken Glauben besitzen, wenn nicht die Mönche mir den Profit vorwegnähmen, indem sie Träume deuten, den Zorn der Heiligen sich abkaufen lassen, den Mädchen Männer, den Schwangern Knaben, den Unfruchtbaren Kinder ver- sprechen und überdieß des Nachts, wenn das Mannsvolk auf dem Fischfang aus ist, die Weiber heimsuchen, mit welchen sie des Tages in der Kirche Abreden getroffen haben". Suppatius warnt sie vor dem Neid des Klosters, aber sie fürchtet nichts, weil der Guardian ihr alter Be- kannter ist.
Der Wahn jedoch schafft sich nun eine schlimmere Gattung von Hexen; solche, die durch bösen Zauber die Menschen um Gesundheit und Leben bringen. Bei diesen wird man auch, sobald der böse Blick etc. nicht ausreichte, zuerst an Beihülfe mächtiger Geister gedacht haben. Ihre Strafe ist, wie wir schon bei Anlaß der Finicella (S. 471) sahen, der Feuertod, und doch läßt der Fanatismus damals noch mit sich handeln; im Stadtgesetz von Perugia z. B. können sie sich mit 400 Pfund loskaufen 1). Ein conse-
1)Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 565, ad a. 1445, bei Anlaß einer Hexe von Nocera, welche nur die Hälfte bot und verbrannt wurde. Das Gesetz beschlägt solche die: facciono le fature ovvero venefitie ovvero encantatione d'immundi spiriti a nuocere.
6. Abſchnitt.Sein Reiſender Suppatius geräth in ihre Wohnung, wäh- Durchſchnittli- cher Character.rend ſie gerade einem Mädchen und einer Dienſtmagd Audienz giebt, die mit einer ſchwarzen Henne, neun am Freitag gelegten Eiern, einer Ente und weißem Faden kommen, ſintemal der dritte Tag ſeit Neumond iſt; ſie werden nun weggeſchickt und auf die Dämmerung wieder herbeſchieden. Es handelt ſich hoffentlich nur um Divina- tion; die Herrin der Dienſtmagd iſt von einem Mönch geſchwängert, dem Mädchen iſt ſein Liebhaber untreu ge- worden und ins Kloſter gegangen. Die Hexe klagt: „Seit meines Mannes Tode lebe ich von dieſen Dingen und könnte es bequem haben, da unſere Gaetanerinnen einen ziemlich ſtarken Glauben beſitzen, wenn nicht die Mönche mir den Profit vorwegnähmen, indem ſie Träume deuten, den Zorn der Heiligen ſich abkaufen laſſen, den Mädchen Männer, den Schwangern Knaben, den Unfruchtbaren Kinder ver- ſprechen und überdieß des Nachts, wenn das Mannsvolk auf dem Fiſchfang aus iſt, die Weiber heimſuchen, mit welchen ſie des Tages in der Kirche Abreden getroffen haben“. Suppatius warnt ſie vor dem Neid des Kloſters, aber ſie fürchtet nichts, weil der Guardian ihr alter Be- kannter iſt.
Der Wahn jedoch ſchafft ſich nun eine ſchlimmere Gattung von Hexen; ſolche, die durch böſen Zauber die Menſchen um Geſundheit und Leben bringen. Bei dieſen wird man auch, ſobald der böſe Blick ꝛc. nicht ausreichte, zuerſt an Beihülfe mächtiger Geiſter gedacht haben. Ihre Strafe iſt, wie wir ſchon bei Anlaß der Finicella (S. 471) ſahen, der Feuertod, und doch läßt der Fanatismus damals noch mit ſich handeln; im Stadtgeſetz von Perugia z. B. können ſie ſich mit 400 Pfund loskaufen 1). Ein conſe-
1)Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 565, ad a. 1445, bei Anlaß einer Hexe von Nocera, welche nur die Hälfte bot und verbrannt wurde. Das Geſetz beſchlägt ſolche die: facciono le fature ovvero venefitie ovvero encantatione d'immundi spiriti a nuocere.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0542"n="532"/><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">6. Abſchnitt.</hi></hi></note>Sein Reiſender Suppatius geräth in ihre Wohnung, wäh-<lb/><noteplace="left">Durchſchnittli-<lb/>
cher Character.</note>rend ſie gerade einem Mädchen und einer Dienſtmagd<lb/>
Audienz giebt, die mit einer ſchwarzen Henne, neun am<lb/>
Freitag gelegten Eiern, einer Ente und weißem Faden<lb/>
kommen, ſintemal der dritte Tag ſeit Neumond iſt; ſie<lb/>
werden nun weggeſchickt und auf die Dämmerung wieder<lb/>
herbeſchieden. Es handelt ſich hoffentlich nur um Divina-<lb/>
tion; die Herrin der Dienſtmagd iſt von einem Mönch<lb/>
geſchwängert, dem Mädchen iſt ſein Liebhaber untreu ge-<lb/>
worden und ins Kloſter gegangen. Die Hexe klagt: „Seit<lb/>
meines Mannes Tode lebe ich von dieſen Dingen und könnte<lb/>
es bequem haben, da unſere Gaetanerinnen einen ziemlich<lb/>ſtarken Glauben beſitzen, wenn nicht die Mönche mir den<lb/>
Profit vorwegnähmen, indem ſie Träume deuten, den Zorn<lb/>
der Heiligen ſich abkaufen laſſen, den Mädchen Männer,<lb/>
den Schwangern Knaben, den Unfruchtbaren Kinder ver-<lb/>ſprechen und überdieß des Nachts, wenn das Mannsvolk<lb/>
auf dem Fiſchfang aus iſt, die Weiber heimſuchen, mit<lb/>
welchen ſie des Tages in der Kirche Abreden getroffen<lb/>
haben“. Suppatius warnt ſie vor dem Neid des Kloſters,<lb/>
aber ſie fürchtet nichts, weil der Guardian ihr alter Be-<lb/>
kannter iſt.</p><lb/><p>Der Wahn jedoch ſchafft ſich nun eine ſchlimmere<lb/>
Gattung von Hexen; ſolche, die durch böſen Zauber die<lb/>
Menſchen um Geſundheit und Leben bringen. Bei dieſen<lb/>
wird man auch, ſobald der böſe Blick ꝛc. nicht ausreichte,<lb/>
zuerſt an Beihülfe mächtiger Geiſter gedacht haben. Ihre<lb/>
Strafe iſt, wie wir ſchon bei Anlaß der Finicella (S. 471)<lb/>ſahen, der Feuertod, und doch läßt der Fanatismus damals<lb/>
noch mit ſich handeln; im Stadtgeſetz von Perugia z. B.<lb/>
können ſie ſich mit 400 Pfund loskaufen <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 565, ad a.</hi> 1445, bei Anlaß<lb/>
einer Hexe von Nocera, welche nur die Hälfte bot und verbrannt<lb/>
wurde. Das Geſetz beſchlägt ſolche die: <hirendition="#aq">facciono le fature ovvero<lb/>
venefitie ovvero encantatione d'immundi spiriti a nuocere.</hi></note>. Ein conſe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[532/0542]
Sein Reiſender Suppatius geräth in ihre Wohnung, wäh-
rend ſie gerade einem Mädchen und einer Dienſtmagd
Audienz giebt, die mit einer ſchwarzen Henne, neun am
Freitag gelegten Eiern, einer Ente und weißem Faden
kommen, ſintemal der dritte Tag ſeit Neumond iſt; ſie
werden nun weggeſchickt und auf die Dämmerung wieder
herbeſchieden. Es handelt ſich hoffentlich nur um Divina-
tion; die Herrin der Dienſtmagd iſt von einem Mönch
geſchwängert, dem Mädchen iſt ſein Liebhaber untreu ge-
worden und ins Kloſter gegangen. Die Hexe klagt: „Seit
meines Mannes Tode lebe ich von dieſen Dingen und könnte
es bequem haben, da unſere Gaetanerinnen einen ziemlich
ſtarken Glauben beſitzen, wenn nicht die Mönche mir den
Profit vorwegnähmen, indem ſie Träume deuten, den Zorn
der Heiligen ſich abkaufen laſſen, den Mädchen Männer,
den Schwangern Knaben, den Unfruchtbaren Kinder ver-
ſprechen und überdieß des Nachts, wenn das Mannsvolk
auf dem Fiſchfang aus iſt, die Weiber heimſuchen, mit
welchen ſie des Tages in der Kirche Abreden getroffen
haben“. Suppatius warnt ſie vor dem Neid des Kloſters,
aber ſie fürchtet nichts, weil der Guardian ihr alter Be-
kannter iſt.
6. Abſchnitt.
Durchſchnittli-
cher Character.
Der Wahn jedoch ſchafft ſich nun eine ſchlimmere
Gattung von Hexen; ſolche, die durch böſen Zauber die
Menſchen um Geſundheit und Leben bringen. Bei dieſen
wird man auch, ſobald der böſe Blick ꝛc. nicht ausreichte,
zuerſt an Beihülfe mächtiger Geiſter gedacht haben. Ihre
Strafe iſt, wie wir ſchon bei Anlaß der Finicella (S. 471)
ſahen, der Feuertod, und doch läßt der Fanatismus damals
noch mit ſich handeln; im Stadtgeſetz von Perugia z. B.
können ſie ſich mit 400 Pfund loskaufen 1). Ein conſe-
1) Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 565, ad a. 1445, bei Anlaß
einer Hexe von Nocera, welche nur die Hälfte bot und verbrannt
wurde. Das Geſetz beſchlägt ſolche die: facciono le fature ovvero
venefitie ovvero encantatione d'immundi spiriti a nuocere.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/542>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.