woran sich dann noch eine meist unschuldige Magie an-6. Abschnitt. schließt. Nun fehlt es zunächst nicht an gelehrten Huma- nisten, welche wacker über diese Dinge spotten und sie bei diesem Anlaß berichten. Derselbe Gioviano Pontano, welcher jenes große astrologische Werk (S. 523) verfaßte, zählt in sei- nem "Charon" ganz mitleidig allen möglichen neapolitanischen Aberglauben auf: den Jammer der Weiber, wenn ein Huhn oder eine Gans den Pips bekömmt; die tiefe Besorgniß der vornehmen Herrn, wenn ein Jagdfalke ausbleibt, ein Pferd den Fuß verstaucht; den Zauberspruch der apulischen Bauern, welchen sie in drei Samstagsnächten hersagen, wenn tolle Hunde das Land unsicher machen etc. Ueberhaupt hatte die Thierwelt ein Vorrecht des Ominösen gerade wie im Alterthum, und vollends jene auf Staatskosten unter- haltenen Löwen, Leoparden u. dgl. (S. 288, f.) gaben durch ihr Verhalten dem Volk um so mehr zu denken, als man sich unwillkürlich gewöhnt hatte, in ihnen das lebendige Symbol des Staates zu erblicken. Als während der Be- lagerung von 1529 ein angeschossener Adler nach Florenz hereinflog, gab die Signorie dem Ueberbringer vier Du- caten, weil es ein gutes Augurium sei 1). Dann waren bestimmte Zeiten und Orte für bestimmte Verrichtungen günstig oder ungünstig oder überhaupt entscheidend. Die Florentiner glaubten, wie Varchi meldet, der Sonnabend sei ihr Schicksalstag, an welchem alle wichtigen Dinge, gute sowohl als böse zu geschehen pflegten. Ihr Vorurtheil gegen Kriegsauszüge durch eine bestimmte Gasse wurde schon (S. 518) erwähnt; bei den Peruginern dagegen gilt eines ihrer Thore, die Porta eburnea, als glückverheißend, so daß die Baglionen zu jedem Kampfe dort hinaus mar- schiren ließen 2). Dann nehmen Meteore und Himmels-
1)Varchi, stor. fior. L. IV. (p. 174). Ahnung und Weissagung spielten damals in Florenz fast dieselbe Rolle wie einst in dem be- lagerten Jerusalem. Vgl. ibid. III, 143. 195. IV, 43. 177.
2)Matarazzo, Arch. stor. XVI, II, p. 208.
woran ſich dann noch eine meiſt unſchuldige Magie an-6. Abſchnitt. ſchließt. Nun fehlt es zunächſt nicht an gelehrten Huma- niſten, welche wacker über dieſe Dinge ſpotten und ſie bei dieſem Anlaß berichten. Derſelbe Gioviano Pontano, welcher jenes große aſtrologiſche Werk (S. 523) verfaßte, zählt in ſei- nem „Charon“ ganz mitleidig allen möglichen neapolitaniſchen Aberglauben auf: den Jammer der Weiber, wenn ein Huhn oder eine Gans den Pips bekömmt; die tiefe Beſorgniß der vornehmen Herrn, wenn ein Jagdfalke ausbleibt, ein Pferd den Fuß verſtaucht; den Zauberſpruch der apuliſchen Bauern, welchen ſie in drei Samſtagsnächten herſagen, wenn tolle Hunde das Land unſicher machen ꝛc. Ueberhaupt hatte die Thierwelt ein Vorrecht des Ominöſen gerade wie im Alterthum, und vollends jene auf Staatskoſten unter- haltenen Löwen, Leoparden u. dgl. (S. 288, f.) gaben durch ihr Verhalten dem Volk um ſo mehr zu denken, als man ſich unwillkürlich gewöhnt hatte, in ihnen das lebendige Symbol des Staates zu erblicken. Als während der Be- lagerung von 1529 ein angeſchoſſener Adler nach Florenz hereinflog, gab die Signorie dem Ueberbringer vier Du- caten, weil es ein gutes Augurium ſei 1). Dann waren beſtimmte Zeiten und Orte für beſtimmte Verrichtungen günſtig oder ungünſtig oder überhaupt entſcheidend. Die Florentiner glaubten, wie Varchi meldet, der Sonnabend ſei ihr Schickſalstag, an welchem alle wichtigen Dinge, gute ſowohl als böſe zu geſchehen pflegten. Ihr Vorurtheil gegen Kriegsauszüge durch eine beſtimmte Gaſſe wurde ſchon (S. 518) erwähnt; bei den Peruginern dagegen gilt eines ihrer Thore, die Porta eburnea, als glückverheißend, ſo daß die Baglionen zu jedem Kampfe dort hinaus mar- ſchiren ließen 2). Dann nehmen Meteore und Himmels-
1)Varchi, stor. fior. L. IV. (p. 174). Ahnung und Weiſſagung ſpielten damals in Florenz faſt dieſelbe Rolle wie einſt in dem be- lagerten Jeruſalem. Vgl. ibid. III, 143. 195. IV, 43. 177.
2)Matarazzo, Arch. stor. XVI, II, p. 208.
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woran ſich dann noch eine meiſt unſchuldige Magie an-
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niſten, welche wacker über dieſe Dinge ſpotten und ſie bei
dieſem Anlaß berichten. Derſelbe Gioviano Pontano, welcher
jenes große aſtrologiſche Werk (S. 523) verfaßte, zählt in ſei-
nem „Charon“ ganz mitleidig allen möglichen neapolitaniſchen
Aberglauben auf: den Jammer der Weiber, wenn ein Huhn
oder eine Gans den Pips bekömmt; die tiefe Beſorgniß
der vornehmen Herrn, wenn ein Jagdfalke ausbleibt, ein
Pferd den Fuß verſtaucht; den Zauberſpruch der apuliſchen
Bauern, welchen ſie in drei Samſtagsnächten herſagen,
wenn tolle Hunde das Land unſicher machen ꝛc. Ueberhaupt
hatte die Thierwelt ein Vorrecht des Ominöſen gerade wie
im Alterthum, und vollends jene auf Staatskoſten unter-
haltenen Löwen, Leoparden u. dgl. (S. 288, f.) gaben durch
ihr Verhalten dem Volk um ſo mehr zu denken, als man
ſich unwillkürlich gewöhnt hatte, in ihnen das lebendige
Symbol des Staates zu erblicken. Als während der Be-
lagerung von 1529 ein angeſchoſſener Adler nach Florenz
hereinflog, gab die Signorie dem Ueberbringer vier Du-
caten, weil es ein gutes Augurium ſei 1). Dann waren
beſtimmte Zeiten und Orte für beſtimmte Verrichtungen
günſtig oder ungünſtig oder überhaupt entſcheidend. Die
Florentiner glaubten, wie Varchi meldet, der Sonnabend
ſei ihr Schickſalstag, an welchem alle wichtigen Dinge, gute
ſowohl als böſe zu geſchehen pflegten. Ihr Vorurtheil
gegen Kriegsauszüge durch eine beſtimmte Gaſſe wurde
ſchon (S. 518) erwähnt; bei den Peruginern dagegen gilt
eines ihrer Thore, die Porta eburnea, als glückverheißend,
ſo daß die Baglionen zu jedem Kampfe dort hinaus mar-
ſchiren ließen 2). Dann nehmen Meteore und Himmels-
6. Abſchnitt.
1) Varchi, stor. fior. L. IV. (p. 174). Ahnung und Weiſſagung
ſpielten damals in Florenz faſt dieſelbe Rolle wie einſt in dem be-
lagerten Jeruſalem. Vgl. ibid. III, 143. 195. IV, 43. 177.
2) Matarazzo, Arch. stor. XVI, II, p. 208.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/535>, abgerufen am 24.11.2024.
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