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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Guelfe aber zögerte und weigerte sich dann gänzlich, weil6. Abschnitt.
Bonatto selber als Ghibelline galt und etwas Geheimniß-
volles gegen die Guelfen im Schilde führen konnte. Nun
fuhr ihn der Astrolog an: Gott verderbe dich und deine
Guelfenpartei mit euerer mißtrauischen Bosheit! dieß Zeichen
wird 500 Jahre lang nicht mehr am Himmel über unserer
Stadt erscheinen! In der That verdarb Gott nachher die
Guelfen von Forli, jetzt aber (schreibt der Chronist um
1480) sind Guelfen und Ghibellinen hier doch gänzlich
versöhnt und man hört ihre Parteinamen nicht mehr 1).

Das Nächste was von den Sternen abhängig wird,Die Astrologie
im Kriege.

sind die Entschlüsse im Kriege. Derselbe Bonatto verschaffte
dem großen Ghibellinenhaupt Guido da Montefeltro eine
ganze Anzahl von Siegen, indem er ihm die richtige Ster-
nenstunde zum Auszug angab; als Montefeltro ihn nicht
mehr bei sich hatte 2), verlor er allen Muth seine Tyran-
nis weiter zu behaupten und ging in ein Minoriten-
kloster; noch lange Jahre sah man ihn als Mönch terminiren.
Die Florentiner ließen sich noch im pisanischen Krieg von 1362
durch ihren Astrologen die Stunde des Auszuges bestim-
men 3); man hätte sich aber beinahe verspätet, weil plötzlich

1) Bei den Horoscopen der zweiten Gründung von Florenz (Giov.
Villani III, 1,
unter Carl d. Gr.) und der ersten von Venedig
(oben, S. 62) geht vielleicht eine alte Erinnerung neben der Dich-
tung des spätern Mittelalters einher.
2) Ann. foroliv. l. c. -- Filippo Villani, vite. -- Macchiavelli,
stor. fior. L. I.
-- Wenn siegverheißende Constellationen nahten,
stieg Bonatto mit Astrolab und Buch auf den Thurm von San
Mercuriale über der Piazza, und ließ, sobald der Moment kam,
gleich die große Glocke zum Aufgebot läuten. Doch wird zugestan-
den, daß er sich bisweilen sehr geirrt und das Schicksal des Monte-
feltro und seinen eigenen Tod nicht vorausgekannt habe. Unweit
Cesena tödteten ihn Räuber, als er von Paris und italienischen
Universitäten, wo er gelehrt hatte, nach Forli zurück wollte.
3) Matteo Villani XI, 3.

Guelfe aber zögerte und weigerte ſich dann gänzlich, weil6. Abſchnitt.
Bonatto ſelber als Ghibelline galt und etwas Geheimniß-
volles gegen die Guelfen im Schilde führen konnte. Nun
fuhr ihn der Aſtrolog an: Gott verderbe dich und deine
Guelfenpartei mit euerer mißtrauiſchen Bosheit! dieß Zeichen
wird 500 Jahre lang nicht mehr am Himmel über unſerer
Stadt erſcheinen! In der That verdarb Gott nachher die
Guelfen von Forli, jetzt aber (ſchreibt der Chroniſt um
1480) ſind Guelfen und Ghibellinen hier doch gänzlich
verſöhnt und man hört ihre Parteinamen nicht mehr 1).

Das Nächſte was von den Sternen abhängig wird,Die Aſtrologie
im Kriege.

ſind die Entſchlüſſe im Kriege. Derſelbe Bonatto verſchaffte
dem großen Ghibellinenhaupt Guido da Montefeltro eine
ganze Anzahl von Siegen, indem er ihm die richtige Ster-
nenſtunde zum Auszug angab; als Montefeltro ihn nicht
mehr bei ſich hatte 2), verlor er allen Muth ſeine Tyran-
nis weiter zu behaupten und ging in ein Minoriten-
kloſter; noch lange Jahre ſah man ihn als Mönch terminiren.
Die Florentiner ließen ſich noch im piſaniſchen Krieg von 1362
durch ihren Aſtrologen die Stunde des Auszuges beſtim-
men 3); man hätte ſich aber beinahe verſpätet, weil plötzlich

1) Bei den Horoscopen der zweiten Gründung von Florenz (Giov.
Villani III, 1,
unter Carl d. Gr.) und der erſten von Venedig
(oben, S. 62) geht vielleicht eine alte Erinnerung neben der Dich-
tung des ſpätern Mittelalters einher.
2) Ann. foroliv. l. c. — Filippo Villani, vite. — Macchiavelli,
stor. fior. L. I.
— Wenn ſiegverheißende Conſtellationen nahten,
ſtieg Bonatto mit Aſtrolab und Buch auf den Thurm von San
Mercuriale über der Piazza, und ließ, ſobald der Moment kam,
gleich die große Glocke zum Aufgebot läuten. Doch wird zugeſtan-
den, daß er ſich bisweilen ſehr geirrt und das Schickſal des Monte-
feltro und ſeinen eigenen Tod nicht vorausgekannt habe. Unweit
Ceſena tödteten ihn Räuber, als er von Paris und italieniſchen
Univerſitäten, wo er gelehrt hatte, nach Forli zurück wollte.
3) Matteo Villani XI, 3.
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[517/0527] Guelfe aber zögerte und weigerte ſich dann gänzlich, weil Bonatto ſelber als Ghibelline galt und etwas Geheimniß- volles gegen die Guelfen im Schilde führen konnte. Nun fuhr ihn der Aſtrolog an: Gott verderbe dich und deine Guelfenpartei mit euerer mißtrauiſchen Bosheit! dieß Zeichen wird 500 Jahre lang nicht mehr am Himmel über unſerer Stadt erſcheinen! In der That verdarb Gott nachher die Guelfen von Forli, jetzt aber (ſchreibt der Chroniſt um 1480) ſind Guelfen und Ghibellinen hier doch gänzlich verſöhnt und man hört ihre Parteinamen nicht mehr 1). 6. Abſchnitt. Das Nächſte was von den Sternen abhängig wird, ſind die Entſchlüſſe im Kriege. Derſelbe Bonatto verſchaffte dem großen Ghibellinenhaupt Guido da Montefeltro eine ganze Anzahl von Siegen, indem er ihm die richtige Ster- nenſtunde zum Auszug angab; als Montefeltro ihn nicht mehr bei ſich hatte 2), verlor er allen Muth ſeine Tyran- nis weiter zu behaupten und ging in ein Minoriten- kloſter; noch lange Jahre ſah man ihn als Mönch terminiren. Die Florentiner ließen ſich noch im piſaniſchen Krieg von 1362 durch ihren Aſtrologen die Stunde des Auszuges beſtim- men 3); man hätte ſich aber beinahe verſpätet, weil plötzlich Die Aſtrologie im Kriege. 1) Bei den Horoscopen der zweiten Gründung von Florenz (Giov. Villani III, 1, unter Carl d. Gr.) und der erſten von Venedig (oben, S. 62) geht vielleicht eine alte Erinnerung neben der Dich- tung des ſpätern Mittelalters einher. 2) Ann. foroliv. l. c. — Filippo Villani, vite. — Macchiavelli, stor. fior. L. I. — Wenn ſiegverheißende Conſtellationen nahten, ſtieg Bonatto mit Aſtrolab und Buch auf den Thurm von San Mercuriale über der Piazza, und ließ, ſobald der Moment kam, gleich die große Glocke zum Aufgebot läuten. Doch wird zugeſtan- den, daß er ſich bisweilen ſehr geirrt und das Schickſal des Monte- feltro und ſeinen eigenen Tod nicht vorausgekannt habe. Unweit Ceſena tödteten ihn Räuber, als er von Paris und italieniſchen Univerſitäten, wo er gelehrt hatte, nach Forli zurück wollte. 3) Matteo Villani XI, 3.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/527>, abgerufen am 24.11.2024.